Langsame Krankenkassen Genehmigungsfiktion kann entfallen

KasselRechtliches

Das Bundessozialgericht (BSG) hat die „Genehmigungsfiktion” bei zu langsam arbeitenden Krankenkassen deutlich entschärft. Versäumt die Kasse die gesetzlichen Fristen zur Bescheidung eines Leistungsantrags, führt dies nach einem Grundsatzurteil nur noch zu einem Anspruch auf Kostenerstattung. Der bisherige Sachleistungsanspruch entfällt.

Seit einer Gesetzesänderung aus 2013 haben die Krankenkassen drei Wochen Zeit, einen Leistungsantrag zu bearbeiten. Holen sie ein Gutachten des Medizinischen Dienstes ein, müssen die Kassen den Versicherten innerhalb von drei Wochen darüber informieren und haben dann insgesamt fünf beziehungsweise bei zahnärztlichen Leistungen sechs Wochen Zeit, über den Antrag zu entscheiden. Werden diese Fristen ohne wichtigen Grund nicht eingehalten, „gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt”, heißt es im SGB V. Diese Regelung wurde mehrfach durch das BSG als rechtens beurteilt. Bei Fristversäumnis bestand danach ein Anspruch auf Sachleistung oder Kostenerstattung, soweit Versicherte die Leistung für erforderlich halten durften.

Nun urteilte das BSG anders und hob die versichertenfreundliche Rechtsprechung weitgehend auf. Ein Anspruch auf Sachleistung besteht danach nicht mehr. Vielmehr führt die Genehmigungsfiktion nur noch zu einem „vorläufigen” Anspruch auf Kostenerstattung, wenn sich der Versicherte die Leistung selbst beschafft hat und zu diesem Zeitpunkt „gutgläubig” war. Zur Begründung erklärten die Richter, nach den Gesetzesmaterialien habe der Gesetzgeber mehr als einen Kostenerstattungsanspruch nicht gewollt.

Danach soll die Krankenkasse auch nach Fristablauf die Möglichkeit haben, eine inhaltliche Entscheidung zu treffen. Fällt diese negativ aus, geht die angenommene Gutgläubigkeit verloren. Ein Kostenerstattungsanspruch für später verschaffte Leistungen besteht für Versicherte dann nicht mehr.

Im konkreten Fall leidet ein Patient unter einer sogenannten Kleinhirnatrophie. Damit verbundene Gangstörungen wollte sein Arzt mit dem Medikament „Fampyra” behandeln. Dies ist allerdings nur für Gangstörungen bei Multipler Sklerose zugelassen. Ein solcher „Off-Label-Use” abseits der Zulassung wird ohne Genehmigung von den gesetzlichen Krankenkassen nicht bezahlt.

Der Patient probierte das Medikament zunächst auf eigene Kosten aus. Weil es sich bewährte, beantragte sein Arzt für die weitere Behandlung die Kostenübernahme durch die Kasse.

Erst nach fast drei Monaten lehnte die Kasse dies ab. Weil alle Fristen verstrichen waren, war in der Vorinstanz das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz in Mainz noch davon ausgegangen, dass die Behandlung als „fiktiv genehmigt” gilt.

Diese Entscheidung hob das BSG nun auf. Ein Anspruch auf weitere Kostenübernahme wegen einer „Genehmigungsfiktion” scheide aus, seitdem die Krankenkasse dies abgelehnt habe. Allerdings soll das LSG Mainz noch prüfen, ob hier andere rechtliche Grundlagen für eine Kostenübernahme bestehen.

 

BSG, 26.5.2020, Az.: B 111 KR 9/18 R