Entgeltfortzahlung Coronapandemie ist kein Betriebsrisiko

ErfurtRechtliches

Ein Arbeitgeber, der seinen Betrieb aufgrund eines staatlich verfügten allgemeinen „Lockdowns“ zur Bekämpfung der Coronapandemie vorübergehend schließen muss, trägt nicht das Risiko des Arbeitsausfalls. Er ist daher nicht verpflichtet, seinen Beschäftigten Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu zahlen. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.

Eine Frau war als Minijobber in einem Ladengeschäft für Nähmaschinen und Zubehör tätig. Im April 2020 war das Ladengeschäft aufgrund einer behördlichen Anordnung geschlossen. Deshalb konnte die Frau nicht arbeiten und erhielt auch keine Vergütung.

Sie verklagte den Ladeninhaber auf Zahlung ihres Entgelts für den Monat April 2020 unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs. Sie war der Auffassung, die Schließung des Betriebs aufgrund behördlicher Anordnung sei ein Fall des vom Arbeitgeber zu tragenden Betriebsrisikos. Dagegen argumentierte der Ladeninhaber, dass die zur Pandemiebekämpfung angeordneten Maßnahmen das allgemeine Lebensrisiko beträfen, das nicht beherrschbar und von allen gleichermaßen zu tragen sei.

Das war auch die Ansicht des Gerichts, das die Klage abwies. Die Frau hat für den Monat April 2020 keinen Anspruch auf Entgeltzahlung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs. Der Arbeitgeber trägt nicht das Risiko des Arbeitsausfalls, wenn – wie hier – zum Schutz der Bevölkerung vor schweren und tödlichen Krankheitsverläufen durch behördliche Anordnung die sozialen Kontakte auf ein Minimum reduziert und nahezu flächendeckend alle nicht für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Einrichtungen geschlossen werden. In einem solchen Fall realisiert sich nicht ein in einem bestimmten Betrieb angelegtes Betriebsrisiko.

Die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung ist vielmehr Folge eines hoheitlichen Eingriffs zur Bekämpfung einer die Gesellschaft insgesamt treffenden Gefahrenlage. Es ist Sache des Staates, gegebenenfalls für einen adäquaten Ausgleich der den Beschäftigten durch den hoheitlichen Eingriff entstehenden finanziellen Nachteile – wie es zum Teil mit dem erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld erfolgt ist – zu sorgen. Soweit ein solcher, wie bei der Frau als geringfügig Beschäftigter, nicht gewährleistet ist, beruht dies auf Lücken im sozialversicherungsrechtlichen Regelungssystem. Aus dem Fehlen nachgelagerter Ansprüche lässt sich jedoch keine arbeitsrechtliche Zahlungspflicht des Arbeitgebers herleiten.

 

BAG, 13.10.2021, Az.: 5 AZR 211/21