Ausgangslage

Bereits der 128. Deutsche Ärztetag 2024 in Mainz hat sich dafür ausgesprochen, den Zugang in die reguläre Versorgung über ein primärärztliches System zu steuern. Nun plant auch die neue Regierungskoalition, für eine möglichst zielgerichtete Versorgung der Patientinnen und Patienten, zur Patientensteuerung und für eine schnellere Terminvergabe ein verbindliches Primärarztsystem bei freier Arztwahl durch Haus- und Kinderärzte in der Hausarztzentrierten Versorgung und im Kollektivvertrag einzuführen.

Für Patientinnen und Patienten mit einer spezifischen schweren chronischen Erkrankung will die Koalition geeignete Lösungen erarbeiten (zum Beispiel Jahresüberweisungen oder ein steuernder Primär-Facharzt im Einzelfall). Die Primärärztinnen und Primärärzte oder die von den KVen unter der Rufnummer 116 117 betriebenen Terminservicestellen sollen den medizinisch notwendigen Bedarf für einen Facharzttermin und den dafür notwendigen Zeitkorridor (Termingarantie) festlegen. Die KVen sollen auch verpflichtet werden, diese Termine zu vermitteln. Gelingt dies nicht, soll der Zugang zur ambulanten Versorgung im Krankenhaus ermöglicht werden. 

Positionierung des BVDD

Im Wesentlichen schließen wir uns den Stellungnahmen des Spitzenverbandes Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands (SpiFa) an. Das heißt, der BVDD begrüßt grundsätzlich eine stärkere Patientensteuerung sowohl in der Regelversorgung als auch in der Akut- und Notfallversorgung, denn diese findet aktuell quasi nicht statt. Eine reine hausärztliche Primärversorgung, ungeachtet ob diese im Kollektiv- oder Selektivvertrag durch die Hausarztzentrierte Versorgung (HzV) erfolgt, greift jedoch zu kurz und ist als Instrument für eine zielgerichtete und bedarfsgerechte Versorgung unserer dermatologischen Patientinnen und Patienten allein völlig ungeeignet. 

Direktzugang zu dermatologischer Versorgung für Chroniker 

Der BVDD fordert deshalb auch einen direkten Zugang für Patientinnen und Patienten zu dermatologischen Facharztpraxen, die aufgrund ihres individuellen medizinischen Bedarfs regelhaft in fortgesetzter fachärztlicher dermatologischer Versorgung sein müssen. Dies gilt vor allem für:

  • Patientinnen und Patienten mit chronisch-entzündlichen Dermatosen,
  • Patientinnen und Patienten mit Allergien,
  • Patientinnen und Patienten mit einer episodenhaften Hauterkrankung, die einer über drei Monate hinausreichenden fachärztlichen Betreuung bedarf.

In diesen Fällen soll die Dermatologin/der Dermatologe die Möglichkeit haben, die koordinierende Betreuung der Krankheit zu übernehmen, wie dies auch jetzt schon bei bekannter Komorbidität bei chronisch-entzündlichen Dermatosen geschieht. Diese Behandlungs- und Koordinierungsmaßnahme sollte gemäß eines von unserer Fachgruppe festgelegten ICD gestützten Kataloges erfolgen, weil ansonsten nach Ansicht des BVDD der ohnehin schon bestehende Mangel an leitliniengerechter Versorgung von chronisch-entzündlichen Dermatosen durch die hausärztliche Engpasssituation („Flaschenhals“) weiter zunehmen würde. 

Direktzugang zur Hautkrebsversorgung

Angesichts steigender Fallzahlen sowohl beim maligen Melanom als auch beim nicht-melanozytären Hautkrebs (NMSC) fordert der BVDD den Direktzugang zur dermatologischen Facharztpraxis auch für Patientinnen und Patienten,

  • die bereits einen oder mehrere Hauttumoren haben (Therapie und Nachsorge),
  • die an Vorstufen des nicht-melanozytären Hautkrebses leiden.

Der BVDD geht davon aus, dass der Zugang zum gesetzlichen Hautkrebsscreening gemäß Krebsfrüherkennungs-Richtlinie auch in einem Primärarztsystem keinem Überweisungsvorbehalt unterliegt. Für während dieser Konsultation aufkommende kurative Behandlungssituationen braucht es eine Regelung. 

Rolle der Selektivverträge

Versorgung im Rahmen von Selektivverträgen kann den direkten Zugang zur dermatologischen Facharztpraxis sichern und gleichzeitig Bagatellerkrankungen in anderen Behandlungsebenen belassen. Der BVDD bietet zurzeit mehrere Selektivverträge an. Sie regeln je nach Vertrag die besondere Versorgung der Psoriasis, der Psoriasis-Arthritis, der atopischen Dermatitis und von Außenarbeitern (Outdoor-Worker) oder ermöglichen das Hautkrebsscreening für Personen unter 35 Jahren. Aus Sicht des BVDD können die Selektivverträge damit als Blaupause dienen für eine primäre dermatologische Versorgung von Hauterkrankungen. 

Entbudgetierung fachärztlicher Leistungen

Der Argumentation des SpiFa folgend, fordert auch der BVDD, dass fachärztliche dermatologische Leistungen, die auf Grundlage einer Überweisung durch einen Primärarzt, die Terminservicestelle der KV oder durch ein Integriertes Notfallzentrum erfolgen, zwingend vollständig entbudgetiert werden. Wenn die Indikation zur fachärztlichen dermatologischen Behandlung festgestellt wurde und durch eine gezielte Überweisung auch dokumentiert worden ist, entfällt jede Berechtigung für eine Budgetierung. Die primärärztliche Steuerung hat dann bereits sichergestellt, dass eine klar medizinisch begründete Bedarfslage für eine fachärztliche Untersuchung vorliegt – die Budgetierung eines solchen Bedarfs unterläuft die Logik des Primärarztsystems folglich konsequent und führt zu einer Fortsetzung der Terminproblematik. 

Termingarantie

Vor dem Hintergrund einer beständig sinkenden Arztzahl und -zeit lehnt der BVDD eine gesetzlich vorgeschriebene Termingarantie als Eingriff in die freiberuflich organisierten Arztpraxen ebenso ab wie den im Koalitionsvertrag formulierten Plan, den Facharztzugang im Krankenhaus ambulant zu ermöglichen, sollte die KV keinen Termin in einer Facharztpraxis vermitteln können. Dabei stellt sich zudem die Frage, wie die Krankenhäuser diese Versorgung dann überhaupt schaffen wollen, da besonders in der Dermatologie mit gerade einmal etwas über 100 Dermatologie-Abteilungen deutschlandweit entsprechende Kapazitäten komplett fehlen. Dies scheint daher für unsere Fachgruppe eher eine harmlose Drohgebärde zu sein.

Einen gesetzgeberischen Eingriff in die Terminverwaltungssysteme der freiberuflichen Praxis lehnt der BVDD entschieden ab.

Fazit

Eine Verbesserung der Gesundheitskompetenz, Prävention und echte Strukturreformen mit einer unbürokratischen Zuleitung in die richtige Versorgungsebene, die sich an den medizinischen Erfordernissen orientiert, sind das Gebot der Stunde, um die knappen Ressourcen den demographischen Erfordernissen anzupassen.