Unterversorgung oder Kostenauftrieb

Rund die Hälfte aller Arzneimittel für Hautkranke werden ab dem 1. Januar von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr erstattet. "Bei den ausgeschlossenen Dermatika handelt es sich weit überwiegend um nachweislich wirksame Medikamente für relevante dermatologische Indikationen," betont PD Dr. Matthias Augustin von der Universitätshautklinik Freiburg. Als eine besondere Crux für Patient und Hautarzt betrachtet Augustin, dass nur bei der Verordnung von erstattungsfähigen Arzneimitteln Chroniker von den Zuzahlungen befreit sind.

Der Druck bei der Arzneimittelverordnung wächst

BERLIN - Rund die Hälfte aller Arzneimittel für Hautkranke werden ab dem 1. Januar von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr erstattet. "Bei den ausgeschlossenen Dermatika handelt es sich weit überwiegend um nachweislich wirksame Medikamente für relevante dermatologische Indikationen," betont PD Dr. Matthias Augustin von der Universitätshautklinik Freiburg. Als eine besondere Crux für Patient und Hautarzt betrachtet Augustin, dass nur bei der Verordnung von erstattungsfähigen Arzneimitteln Chroniker von den Zuzahlungen befreit sind.

Der Freiburger Spezialist für Pharmaökonomie hat systematisch die Folgen der Änderungen in der gesetzlichen Krankenversicherung für Hautkranke untersucht und festgestellt, dass allein in der Dermatologie 179 Wirkstoffe und insgesamt 1681 bewährte Präparate nicht mehr zu Lasten der Krankenkasse verordnet werden können. Betroffen ist das gesamte therapeutische Spektrum der hautärztlichen Versorgung von den Anti-Allergika über entzündungshemmende Mittel bei Schuppenflechte und Neurodermitis bis hin zu Präparaten gegen Hautpilzen und Parasiten. Bei den Wundbehandlungsmitteln und Venentherapeutika, aber auch für die Behandlung mit UV-Licht und medizinischen Bädern gibt es in Zukunft kaum noch ein Mittel, dass auf Kassenrezept verordnet werden kann. Der Erstattungsausschluß trifft in den allermeisten Fällen (Häufigkeit über 90%) Wirkstoffe und Präparate mit einer wissenschaftlich nachgewiesenen Wirksamkeit.

Augustin schlägt angesichts dieser Befunde Alarm. "Der Ausschluß dieser Arzneimittel aus der Erstattungsfähigkeit durch die GKV würde einen beträchtlichen Teil der Patienten mit Hauterkrankungen betreffen." Der Freiburger Kliniker rechnet mit einer erheblichen Verunsicherung bei den Patienten, die auf die ab Januar vom Gesetzgeber erzwungene Selbstmedikation völlig unzureichend vorbereitet sind. Nach einer bereits einige Monate alten Umfrage nimmt die Bereitschaft bei Hautkranken jenseits einer Schwelle von 20 Euro monatlich rapide ab, aus eigener Tasche zuzuzahlen.

"Die Vorenthaltung medizinisch notwendiger, zweckmäßiger und wirtschaftlicher Arzneimittel ist unvereinbar mit dem Sozialgesetzbuch," sieht Augustin den Hautarzt unter verschärften Druck, anstelle der preiswerteren rezeptfreien Arzneimittel in Zukunft teurere erstattungsfähige Präparate zu verordnen – soweit das überhaupt noch möglich ist. Vor allem für chronisch Hautkranke seien die aus der Gesetzesänderung resultierenden Belastungen mit durchschnittlichen Kosten von einhundert Euro und mehr für Therapie und begleitende dermatologische Basispräparate nicht tragbar. Damit sei die Substitution, d. h. das Ersetzen der bewährten, nicht mehr erstattungsfähigen Präparate durch teurere noch erstattungsfähige Mittel vorprogrammiert.

Folge wäre eine erhebliche Kostensteigerung in der dermatologischen Versorgung und eine Flut von Plausibilitätsprüfungen. Hoffnung setzt Augustin auf die vom Gesetzgeber angekündigte Ausnahmeliste , die eine Unterversorgung "bei schwerwiegenden Erkrankungen" verhindern soll. "Hier muß die Dermatologie jetzt den Handlungsbedarf deutlich machen und dem Gesundheitsministerium klare Hinweise geben," betont Augustin. DDG und BVDD haben eine gemeinsame Arbeitsgruppe eingesetzt.

Bis zum 1. April 2004 kann der Hautarzt selbst in solchen Fällen nicht erstattungsfähige Präparate weiter auf Kassenrezept verschreiben. Er muss dies dann aber mit Hinweis auf die Schwere der Erkrankung begründen. Die Verordnung muss allerdings dem Therapiestandard entsprechen, den die Deutsche Dermatologische Gesellschaft und der BVDD in ihren gemeinsam formulierten Leitlinien festlegen.