Hautkrebsvorsorge: Zahlen Kassen wirklich alles, was sinnvoll ist?

Die medizinische Welt von Wolfgang Bockemühl ist einfach und übersichtlich. Die gesetzliche Krankenversicherung sichert die Versicherten gegen alle ernsthaften Gesundheitsrisiken ab. "Es gibt keine sinnvollen individuellen Gesundheitsleistungen, denn wenn sie sinnvoll wären, würden sie zum Katalog der Gesetzlichen Krankenversicherung zählen,“ brachte der Chef der AOK Rheinland-Pfalz seine Sicht kürzlich im SWR-Studio in Mainz auf den Punkt. Die Redaktion Infomarkt berichtete zum Thema Selbstzahlerleistungen. Im Brennpunkt standen die Hautkrebs- und die Glaukomvorsorgeuntersuchung sowie die medizinische Zahnreinigung.

AOK-Chef Bockemühl, Rheinland-Pfalz, provoziert mit Äußerung zu IGeL Ärzte und Patienten

MAINZ - Die medizinische Welt von Wolfgang Bockemühl ist einfach und übersichtlich. Die gesetzliche Krankenversicherung sichert die Versicherten gegen alle ernsthaften Gesundheitsrisiken ab. "Es gibt keine sinnvollen individuellen Gesundheitsleistungen, denn wenn sie sinnvoll wären, würden sie zum Katalog der Gesetzlichen Krankenversicherung zählen,“ brachte der Chef der AOK Rheinland-Pfalz seine Sicht kürzlich im SWR-Studio in Mainz auf den Punkt. Die Redaktion Infomarkt berichtete zum Thema Selbstzahlerleistungen. Im Brennpunkt standen die Hautkrebs- und die Glaukomvorsorgeuntersuchung sowie die medizinische Zahnreinigung.

Bockemühl unterstrich: Den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung definierten die Krankenkassen nicht allein. Der Gemeinsame Bundesausschuß sei verantwortlich, die Ärzte seien an allen Entscheidungen beteiligt.
Im weiteren Studiogespräch warnte der AOK-Mann auf Nachfrage des Moderators abstrakt und ohne konkrete Beispiele zu nennen vor möglichen Risiken medizinischer Leistungen, die von der Kasse nicht übernommen werden. Unsinnige Vorsorgeuntersuchungen beispielsweise könnten zu Befunden führen, die überflüssige Behandlungen nach sich ziehen.
Mit seiner Sichtweise steht Bockemühl selbst in den eigenen AOK-Reihen weit im Abseits. Eine Untersuchung des wissenschaftlichen Dienstes des AOK-Bundesverbandes aus dem Vorjahr zum Thema IGeL unterscheidet durchaus und zählt die Ganzkörperuntersuchung auf Hautkrebs beim Hautarzt nicht zu den medizinisch fragwürdigen Selbstzahlerleistungen, nachdem ein Testlauf für eine landesweites Hautkrebsscreening im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschuß bereits 2004 hieb- und stichfest demonstriert hatte, dass die Hautkrebsvorsorgeunresuchung ein höchst wirksames Instrument ist, Hauttumoren frühzeitig zu entdecken und so rechtzeitig zu entfernen, dass die Betroffenen wieder ganz gesund werden können. In zahlreichen anderen Landesverbänden der AOK – nicht aber in Rheinland-Pfalz – werden die Kosten der Hautkrebsvorsorge inzwischen anstandslos auch von der Ortskrankenkasse übernommen.
Die Bockmühlsche Weltanschauung ist um so peinlicher für die mitgliederstärkste deutsche Krankenkasse, da der AOK-Bundesverband einer der Träger der bundesweiten Vorsorgekampagne „Deine Haut, die wichtigsten zwei Quadratmeter Deines Lebens“ ist. Aber vielleicht waren diese Äußerungen ja gar nicht so gemeint?
In den rheinland-pfälzischen Hautarztpraxen schlug der Fernsehbeitrag jedenfalls hohe Wellen. Der BVDD-Landesverband Rheinland-Pfalz bat Bockemühl um Stellungnahme. Wörtlich heißt es in dem Schreiben: „Sind sie der Auffassung, dass das die ganzkörperliche Untersuchung auf Hautkrebs durch den Hauttumorspezialisten erst in dem Augenblick zu einer sinnvollen Leistung wird, in dem sie vom Gemeinsamen Bundesausschuss als solche in den Leistungskatalog aufgenommen wird? Oder macht nicht auch bereits vor Abschluß dieses inzwischen mehr als zehn Jahre dauernden Prüfverfahrens im GBA eine solche Untersuchung im Interesse der Gesundheit Sinn?“ Und: „Gibt es medizinische Gründe, die gleiche Krebsfrüherkennungsleistung innerhalb des AOK-Bundesverbandes regional unterschiedlich zu bewerten?“
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Bockemühls Kommentar: Er habe bewusst plakativ Stellung bezogen, der logische Zirkel sei in sich schlüssig. Wörtlich: „Als Kassenvertreter kann ich mich nicht hinstellen, und sagen, IGeL-Leistungen sind sinnvoll. Denn dann müsste ich sie konsequenterweise auch bezahlen.“ Vielleicht habe er noch hinzufügen sollen, dass Wunschleistungen des Patienten zur Kassenleistung werden, wenn sie der Arzt in einem behandlungbedürftigen Fall als medizinisch notwendig verordnet. Eine Entscheidung, ab wann, für welche Versicherten und unter welchen Bedingungen die AOK Rheinland-Pfalz die Hautkrebsvorsorgeuntersuchung bei einem Hautarzt ihren Versicherten anbietet, ist noch nicht gefallen.