Weltpsoriasistag 2018 Aktiv gegen Stigmatisierung

HAMBURG – Deutschland ist weltweit Vorbild bei der medizinischen Versorgung von Menschen mit Schuppenflechte. Dazu zählt auch ein vom Bundesgesundheitsministerium gefördertes Projekt gegen die Stigmatisierung von Menschen mit sichtbaren chronischen Hauterkrankungen. Anlässlich des Welt-Psoriasistages am 29. Oktober machten Experten auf fest verankerte Vorurteile aufmerksam und auf Lücken und regionale Unterschiede in der Versorgung mit wirksamen Therapien.

Welt-Psoriasistag 2018

Zwar werden immer mehr Menschen mit Schuppenflechte inzwischen nach neuesten Erkenntnissen und fachlich konsentierten Empfehlungen - d.h. leitliniengerecht versorgt. Hinzu kommen eine steigende Anzahl an innovativen Arzneimitteln, die zunehmende Spezialisierung von Hautärzten in den bundesweiten zurzeit 29 Pso-Netzen sowie die kontinuierliche Umsetzung eines inzwischen 12jährigen nationalen Versorgungsprogramms.

Doch trotz aller Fortschritte gibt es nach wie vor Hürden, die überwunden werden müssen. „Nur etwa 50 Prozent der Patienten mit schwerer Psoriasis erhalten die ihnen zustehende leitliniengerechte Behandlung und damit den hohen Zugewinn an Patientennutzen und Lebensqualität“, unterstreicht Prof. Matthias Augustin vom CVderm am Uni-Klinikum Hamburg-Eppendorf. Zudem ist der Zugang zu einer hochwertigen Versorgung regional stark unterschiedlich und von den jeweils geltenden Wirtschaftlichkeitsprüfungen für die niedergelassenen Hautärzte abhängig.

Versorgung darf nicht vom Wohnort oder KV-Bezirk abhängig sein

„Dies passiert, wenn Dermatologen durch Quotenvorgaben für Arzneimittel von der medizinisch notwendigen Verordnung abgehalten oder durch unangemessene Prüfungen benachteiligt werden“, so der CVderm-Leiter. Versorgung müsse zukünftig am tatsächlichen Bedarf der Bevölkerung ausgerichtet sein, eine im Jargon der Weltgesundheitsorganisation WHO  'people-centered health care’ , die weit über Arzneimitteltherapie hinausgeht und den Patienten, sein soziales Umfeld und seine Lebenssituation insgesamt berücksichtigt. Mit der Umsetzung der WHO-Empfehlung von 2014, mehr für die strukturierte Behandlung von Patienten mit Schuppenflechte und sehr viel mehr gegen Stigma, für Aufklärung und für "health literacy" zu tun,  nehmen Deutschland auch international eine Führungsrolle ein.

BMG-gefördertes Projekt gegen Stigmatisierung

„Seit Januar 2018 und über eine Projektlaufzeit von drei Jahren arbeitet ein Konsortium aus 25 Versorgungsforschern, Patientenvertretern, Dermatologen, Hausärzten, Psychologen und Erziehungswissenschaftlern zusammen, um Konzepte gegen die Stigmatisierung von Menschen mit chronischen sichtbaren Hauterkrankungen zu entwickeln“, berichtet Sophia Schlette vom Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD).

Das vom Bundesgesundheitsministerium geförderte Projekt firmiert unter dem Arbeitstitel ECHT – Entstigmatisierung von Menschen mit sichtbaren Chronischen HauTerkrankungen – hat den Kampf gegen Unwissen und Vorurteile gegenüber Menschen mit sichtbaren Hauterkrankungen aufgenommen. 2014 hatte die Weltgesundheitsversammlung alle WHO-Mitgliedsstaaten dazu aufgerufen, mehr zu tun, um Menschen mit Schuppenflechte zu unterstützen und die Stigmatisierung abzubauen.

Die Ergebnisse einer weltweiten Recherche – Teil eins des ECHT-Projekts – waren ernüchternd: „Zwar gibt es Stigma-Forschung, jedoch wenig mit Bezug auf Gesundheit und noch weniger mit Bezug auf sichtbare Hauterkrankungen“, so Sophia Schlette, Leiterin der BVDD-Stabsstelle Politik, die das Projekt seitens des BVDD koordiniert. In der nächsten Phase des Projekts sollen ab 2019 erfolgversprechende Anti-Stigma-Ansätze exemplarisch erprobt werden. Ziel ist es, ein Langzeitkonzept zu entwickeln, das neben Handlungsempfehlungen an die Gesundheitspolitik auch Vorschläge für eine übergreifende Struktur zur Verstetigung von Anti-Stigma-Maßnahmen beinhalten soll.

Dies ist dringend notwendig: Dass Vorurteile gegenüber Menschen mit sichtbaren Hauterkrankungen wie Schuppenflechte immer noch tief sitzen, zeigen Ergebnisse von FORSA-basierten Umfragen in Deutschland ebenso wie die Sperrung von Bildern mit sichtbarer Schuppenflechte bei Instagram und Facebook in diesem Sommer oder auch Erlebnisse in der täglichen Praxis. „Daran konnten weder medizinische Aufklärungskampagnen noch moderne digitale Informationsangebote wie die von uns initiierte Kampagne Bitte berühren’ bisher wirklich etwas ändern“, sagt BVDD-Verbandsleitung Dr. Ralph von Kiedrowski.

Schuppenflechte erfordert umfassendes Management

Dabei hat sich die Behandlung von Menschen mit Schuppenflechte deutlich weiterentwickelt. Bei der Behandlung der mittelschweren bis schweren Psoriasis ist es in den letzten Jahren zu einem Zulassungsboom vor allem von Biologika mit unterschiedlichen Wirkmechanismen gekommen, hinzu kommen Biosimilars. Beim Management der Psoriasis gilt es aber auch, Neben der Wahl des Medikaments Risikofaktoren wie Übergewicht und Trigger wie Stress sowie weitere individuelle Faktoren zu beachten, die auch die Therapietreue maßgeblich beeinflussen.

Ob ein Psoriasis-Patient die leitliniengerechte Therapie erhält, hängt nach Ansicht des Deutschen Psoriasis Bundes (DPB) jedoch stark vom Wohnort und vom versorgenden Arzt ab. So sieht DPB-Geschäftsführer Hans-Detlev Kunz, eine „erhebliche Schieflage in Deutschland beim Zugang zu den erforderlichen Therapien“. Das liegt seiner Meinung nach zum einen an den zahlreichen, weitgehend intransparenten Versorgungsverträgen in den Bezirken der Kassenärztlichen Vereinigungen und an den Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die wie ein „Damokles-Schwert über den Arztpraxen hängen“. Zum anderen seien die leitliniengerechten therapeutischen Möglichkeiten zur Behandlung der Psoriasis vulgaris offenkundig noch nicht allen Ärzten bekannt.

Teure Pflege bei Schuppenflechte

Was den DPB als Selbsthilfeorganisation zusätzlich umtreibt, sind die individuellen Kosten für Psoriasis-Patienten. „Cremes, Salben und Shampoos zur Basispflege führen ohnehin schon zu hohen privaten monatlichen Fixkosten. Auf- oder Zuzahlungen in der Apotheke für die verschriebenen Therapien belasten die Patienten zusätzlich“, bemängelt Kunz. Diese höhlen seinen Worten nach „den Solidaritätscharakter der Gesetzlichen Krankenversicherung aus und sind nicht hinnehmbar“.

 

wha/BVDD