Ausgabe 03/2019 • Haarausfall bei Frauen Wenn Hormone das Haarwachstum stören

BONN (abd) – Lichtet sich bei Frauen das Haar, kann das ein unliebsames Erbe sein. Doch auch eine Hormonstörung kann die Ursache sein. Eine sorgfältige Abklärung beim Hautarzt hilft, die richtige Therapie zu finden.

iStock/paulynn

Schönes, üppiges Haar gilt als attraktiv und trägt zu einem modischen, gepflegten Erscheinungsbild bei. „Schütteres Haar und Haarverlust können betroffene Frauen daher psychisch sehr belasten“, berichtet Priv.-Doz. Dr. Gerhard Lutz, Hautarzt und Haarspezialist aus Bonn. Selbstbild und Selbstbewusstsein werden beeinträchtigt, Sorgen um die Gesundheit kommen oft hinzu und manchmal müssen sogar berufliche Nachteile in Kauf genommen werden.

Zu den häufigsten Formen des Haarverlustes zählt die androgenetische Alopezie. Diese beginnt bei Männern meist mit den typischen Geheimratsecken oder einer Lichtung im Tonsurbereich. Bei Frauen dagegen lichtet sich das Haar in der Regel zunächst in der Kopfmitte im Scheitelbereich. Bei Fortschreiten des Haarverlustes können schließlich auch Seitenpartien und Hinterkopf kahl werden.

Erhöhte Empfindlichkeit oder Hormonstörung?

„Bei der androgenetischen Alopezie kann es sowohl zu einem übermäßigen Ausfall der Haare als auch zu einem gestörten beziehungsweise unzureichenden Nachwachsen normal ausfallender Haare kommen“, erläutert Dr. Lutz. Diese Form der Haarwachstumsstörung kann anlagebedingt sein. Betroffene Frauen berichten häufig über ähnliche Haarausfallmuster bei Mutter, Großmutter oder auch einer Tante. „Heute geht man davon aus, dass die Ursache eine genetisch bedingte erhöhte Sensitivität der Haarfollikel auf das Hormon 5alpha-Dihydrotestosteron ist“, erklärt der Dermatologe. Dieses Hormon zählt zu den Androgenen – das sind männliche Geschlechtshormone, die aber nicht nur bei Männern, sondern auch bei Frauen vorkommen. Aufgrund der Überempfindlichkeit der Haarfollikel kommt es zu einer verkürzten Wachstumsphase der Haare, sodass sich kräftige Haare zunehmend zu Flaumhaaren entwickeln, die mit bloßem Auge kaum erkennbar sind. Ein Fortschreiten dieses Degenerationsprozesses führtschließlich zu einem kompletten Untergang der Haarfollikel, sodass in den betroffenen Regionen keinerlei Haarwachstum mehr möglich ist. 

„Frauen sollten den Haarausfall beim Hautarzt abklären lassen“, rät Dr. Lutz. Für die Wahl einer geeigneten Therapie sei zunächst wichtig, andere Formen des Haarausfalls auszuschließen. Neben einer gründlichen Erhebung der Vorgeschichte und der klinischen Inspektion ist der Ausschluss einer Funktionsstörung der Schilddrüse wichtig. Bei jedem Haarausfall sollte auch ein Eisen-, Zink-, Vitamin D- und Biotin-Mangel abgeklärt werden, da diese in ausreichender Menge für ein allgemein gutes Haarwachstum erforderlich sind.

Zudem empfiehlt Dr. Lutz seinen Patientinnen mit androgenetischer Alopezie, den Hormonstatus bestimmen zu lassen. Bei Frauen mit erblich bedingter Veranlagung zu einer androgenetischen Alopezie sind die Androgen-Spiegel in der Regel normal. „Doch manchmal kann auch eine Hyperandrogenämie die Ursache einer Alopecia androgenetica bei der Frau sein“, berichtet Dr. Lutz. Oft gehen mit diesem Vorliegen vermehrter männlicher Geschlechtshormone auch weitere Anzeichen wie Hirsutismus – das heißt männliche Behaarungsmuster an Oberlippe und Kinn sowie Rücken und Brust – oder Zyklusunregelmäßigkeiten einher. Sehr selten ist ein Androgen-produzierender Tumor die Ursache.

Liegt keine Hyperandrogenämie vor, empfiehlt Dr. Lutz Patientinnen mit androgenetischer Alopezie eine alleinige äußerliche Therapie. Mittel der ersten Wahl ist Minoxidil, das durch eine vermehrte Durchblutung und Neueinsprossung von Gefäßen das Haarwachstum anregen soll. Alternativ kann auch Alfatradiol eingesetzt werden. Bei gesicherter Hyperandrogenämie rät Dr. Lutz zusätzlich zu einer antiandrogenen Therapie. Die Blutwerte sollten regelmäßig überprüft und die Therapieempfehlungen bei Bedarf angepasst werden. 

Die Therapie habe allerdings vor allem eine „Bremswirkung“ und kann das Fortschreiten der Alopezie verzögern, aber nur sehr begrenzt rückgängig machen. „Um das Erscheinungsbild zu verbessern oder zumindest zu stabilisieren, sollte die Therapie daher möglichst früh begonnen und wenn erforderlich längerfristig durchgeführt werden“, betont Dr. Lutz. 

Jede Haarkosmetik ist erlaubt

Der Haarfollikel unterliegt – wie jedes Organ im Körper – einer natürlichen, altersbedingten Degeneration. Eine Abnahme des Haares mit zunehmendem Alter lässt sich somit kaum vermeiden. Eine gute Pflege und eine geschickte Frisur tragen dazu bei, dass das Haar schön und attraktiv bleibt. „Auch bei androgenetischer Alopezie ist jede Haarkosmetik erlaubt“, so Dr. Lutz. Weder Waschen und Föhnen noch Färben oder Dauerwelle beeinträchtigen das Haarwachstum – umgekehrt kann Schneiden das Wachstum nicht fördern. 

Lassen sich trotz Therapie der androgenetischen Alopezie keine kosmetisch befriedigenden Ergebnisse erzielen, kommen auch Haarteile und bei Fortschreiten des Haarverlustes eine Perücke in Betracht. Auch nach der Durchführung einer Haartransplantation ist eine begleitende äußerliche und gegebenenfalls innerliche Therapie erforderlich, um das Resthaar vor einem weiteren Ausfall oder einer Degeneration zu schützen. 

Wichtig: richtige Auswahl der Pille

„Bei Frauen mit androgenetischer Alopezie, die hormonelle Verhütungsmittel einnehmen, sollten Präparate gewählt werden, die die Haarwachstumsstörung nicht noch verschlimmern“, rät Dr. Lutz: Hormonelle Kontrazeptiva sollten frei sein von Norethisteronacetat, da dieses Gestagen aufgrund seiner restandrogenen Wirkung nach Erfahrungen des Hautarztes das Haarwachstum beeinträchtigen und die Alopezie noch verstärken oder sogar hervorrufen kann. Auch reines Gestagen zur Empfängnisverhütung könne sich ungünstig auf das Haarwachstum auswirken. Aber auch bei Präparaten, die Ethinylestradiol enthalten, findet sich häufig im Beipackzettel der Hinweis auf möglichen Haarausfall. Deshalb sind hormonelle Kontrazeptiva mit einem geringen Ethinylestradiol-Gehalt zu bevorzugen, sofern dies von gynäkologischer Seite vertretbar ist.

Auch bei einer Hormonersatztherapie in der Menopause sei auf eine möglichst geringe und gegebenenfalls nur zyklische Gestagenmedikation zu achten und hier gelte ebenfalls die Devise „so viel Gestagen wie nötig und so wenig wie möglich“, so Dr. Lutz.