Pressemitteilung 02/2022 • Weniger Hautkrebsscreening in der Coronapandemie Verschleppte Hautkrebs-Diagnose verschlechtert die Prognose

BERLIN –

Die Inanspruchnahme der gesetzlichen Hautkrebsfrüherkennungsuntersuchung ist in der Coronapandemie stark eingebrochen. Die Folgen werden langsam sichtbar: Größere Tumore bei der Erstdiagnose mit schlechteren Heilungschancen, warnt BVDD-Vizepräsident Dr. Thomas Stavermann. Über diese Entwicklung diskutieren Experten auf der Pressekonferenz von BVDD und Deutscher Dermatologischer Gesellschaft (DDG) am 18. Februar 2022 auf der Dermatologie KOMPAKT & PRAXISNAH.

„Eine verschleppte Diagnose birgt insbesondere beim schwarzen Hautkrebs, dem malignen Melanom, das hohe Risiko, dass der Tumor bereits gestreut hat, was die Prognose deutlich verschlechtert“, warnt der Vizepräsident des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen, Dr. Thomas Stavermann. Beim malignen Melanom ist unter anderem die Tumordicke ein wichtiger Parameter für die Überlebenschance der Betroffenen. Bereits ab einer Dicke von 1,01 Millimeter erhöht sich das Risiko für die Entstehung von Metastasen.

Doch auch der weniger gefährliche, dafür aber viel häufigere sogenannte helle Hautkrebs, der insbesondere als Basalzellkarzinom und Plattenepithelkarzinom auftritt und nur sehr selten metastasiert, sollte möglichst frühzeitig erkannt werden, um die häufig notwendigen Operationen ohne Komplikationen durchführen zu können. Dies gilt vor allem für Tumore im Gesicht sowie in anderen sichtbaren Körperarealen. „Gerade beim hellen Hautkrebs sehen wir – beispielsweise im Augenbereich – häufiger größere Tumore bei der Erstdiagnose als vor der Pandemie. Dies erfordert wiederum häufiger eine Überweisung in die Klinik, was wegen mangelnder Kapazitäten schwierig ist“, erläutert Dr. Stavermann die Erfahrungen aus seiner Berliner Großpraxis mit rund 6.500 Patientenkontakten pro Quartal. Außerdem sind während der Pandemie Patientinnen und Patienten verzögert zu Befundbesprechungen und auch seltener zur Nachsorge erschienen. „Insbesondere die Älteren und Ängstlichen sind bei den Früherkennungsuntersuchungen zurückhaltender geworden“, so Dr. Stavermann.

Diese Entwicklung bestätigen die Abrechnungsdaten des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi). Demnach sank in der letzten Märzwoche 2020 mit Beginn der Pandemie die Fallzahl beim gesetzlichen Hautkrebsscreening drastisch um rund 70 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Auch in den anschließenden Quartalen verharrte die Inanspruchnahme der Hautkrebsfrüherkennungsuntersuchung unter dem Vorjahresniveau. Dieser Trend setzte sich im ersten Halbjahr 2021 mit einem durchschnittlichen Minus von 14,3 % im Vergleich zu 2019 fort.

Für die geringere Inanspruchnahme des gesetzlichen Hautkrebsscreenings, das alle GKV-Versicherten ab 35 Jahren alle zwei Jahre nutzen können, ist aber nicht nur die Pandemie verantwortlich. Da es bundesweit nur rund 4.700 ambulant tätige Dermatologinnen und Dermatologen gibt, führen seit seiner Einführung 2008 auch Allgemeinmediziner das gesetzliche Hautkrebsscreening durch. Dies geschieht häufig im Rahmen der Allgemeinen Gesundheitsuntersuchung (ehemals Check-up 35). Der Check-up stand allen Versicherten ab 35 Jahren alle zwei Jahre zu, sodass das Hautkrebsscreening passenderweise gleichzeitig durchgeführt werden konnte. Die 2019 eingeführte Allgemeinen Gesundheitsuntersuchung dürfen gesetzlich Versicherte aber nur noch alle drei Jahre in Anspruch nehmen. „Das reißt die beiden Untersuchungen zeitlich auseinander, wodurch das gesetzliche Hautkrebsscreening sicherlich auch seltener in Anspruch genommen wird“, erläutert Dr. Stavermann. „Insgesamt stellen wir fest, dass deutlich weniger Patientinnen und Patienten zur Abklärung einer Hautveränderung mit einer Überweisung vom Hausarzt zum Dermatologen kommen.“

Es ist zu befürchten, dass in den Pandemiejahren die Zahl der Hautkrebsdiagnosen sinken, sich dieser Trend aber in den Folgejahren umkehren wird – mit zusätzlich größeren Tumoren bei der Entdeckung. Dies wird die bereits heute hohe Versorgungslast der Hautkrebspatientinnen und -patienten in den Hautarztpraxen weiter steigern. Jährlich erkranken in Deutschland nach Daten der Krebsregister rund 272.000 Menschen neu an Hautkrebs, davon etwa 37.000 am malignen Melanom, 143.000 an einem Basalzellkarzinom und 92.000 an einem Plattenepithelkarzinom. Doch der Hautkrebsreport 2019 warnt: Da Krebsregister nur Erst-Ereignisse registrieren, beim Hautkrebs aber häufig Zweit- und weitere Folgetumoren vorkommen, sei von deutlich höheren Zahlen auszugehen. Zudem würden nicht alle Fälle in Deutschland gemeldet. Unter Berücksichtigung dieser Einflussfaktoren seien im Jahr 2019 nach neueren modelhaften Schätzungen über 500.000 neue Hautkrebsfälle aufgetreten.

„Als Berufsverband rufen wir daher seit Jahren dazu auf, das gesetzliche Hautkrebsscreening in Anspruch zu nehmen, aber auch eine regelmäßige Selbstinspektion der Haut durchzuführen und bei verdächtigen Veränderungen einen Hautarzt aufzusuchen“, unterstreicht Dr. Stavermann. Darüber hinaus engagieren sich BVDD und DDG gemeinsam regelmäßig für die Aufklärung rund um einen vernünftigen Umgang mit der UV-Strahlung – dem Hauptrisikofaktor für Hautkrebs.