Wohnortnahe Versorgung in Gefahr „Die Niederlassung in Selbstständigkeit muss wieder attraktiver werden“

Berlin/SeltersPressemitteilung

Bereits heute suchen ältere Dermatologinnen und Dermatologen vor allem in ländlichen Gebieten händeringend nach einer Nachfolge für ihre Praxis. Es sind vor allem die niederlassungsfeindlichen Rahmenbedingungen, die dem Nachwuchs die Lust auf die Patientenversorgung in der Praxis nehmen, warnt BVDD-Präsident Dr. Ralph von Kiedrowski. Über Lösungsansätze diskutieren Experten auf der Pressekonferenz von BVDD und Deutscher Dermatologischer Gesellschaft (DDG) am 18. Februar 2022 auf der Dermatologie KOMPAKT & PRAXISNAH.

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„Um die ambulante dermatologische Versorgung mittel- und langfristig sicherzustellen, muss die Niederlassung in Selbstständigkeit wieder attraktiver werden“, fordert der Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen, Dr. Ralph von Kiedrowski. „Ansonsten kann der steigende Behandlungsbedarf von Hauterkrankungen bei einer älter werdenden Bevölkerung in den kommenden Jahren wohnortnah nicht mehr gedeckt werden“. In der Ärzteschaft werden viele „Baby-Boomer“ in absehbarer Zeit in den Ruhestand gehen. Gleichzeitig wird es unter den Nachwuchsmedizinern immer beliebter, als Angestellte in einer Praxis zu arbeiten. Nach Daten der Bundesärztekammer arbeiteten im Jahr 2015 im ambulanten Bereich 838 angestellte Dermatologinnen und Dermatologen, was einem Anteil von 19 % an allen ambulant tätigen der Fachgruppe entspricht. Im Jahr 2020 machte der Anteil der in dermatologischen Praxen Angestellten mit 1.288 Ärztinnen und Ärzten bereits 27 % aus. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen. „Die Übernahme einer Einzelpraxis entspricht häufig nicht mehr dem Wunsch junger Dermatologinnen und Dermatologen“, so Dr. von Kiedrowski. Viele von ihnen wünschen sich eine bessere Work-Life-Balance und arbeiten deshalb in Teilzeit. Daraus resultieren selbst bei leicht steigender Ärztezahl weniger Stunden Arztzeit. Vor allem Frauen arbeiten in Teilzeit. Ihr Anteil an den im ambulanten Bereich angestellten Dermatologen liegt bei 75 %.

Aus Sicht des BVDD ist es dringend erforderlich, die Rahmenbedingungen für die Niederlassung zu verbessern. Als erste wichtige Schritte nennt Dr. von Kiedrowski die Beendigung der Budgetierung im fachärztlichen Bereich und den Abbau der überbordenden Bürokratie in den Praxen. Für zusätzliche Belastung in der Niederlassung sorgt die pannenlastige und zudem mit Sanktionen belegte Anbindung an die Telematikinfrastruktur (TI). „Einige Kolleginnen und Kollegen am Ende ihrer Laufbahn tun sich das nicht mehr an, geben ihren Kassensitz früher ab als sie müssten und stehen der Versorgung nicht mehr zur Verfügung“, erläutert Dr. von Kiedrowski. Die Folgen dieser Entwicklung bekommt er in unmittelbarer Nähe seiner eigenen Praxis im rheinland-pfälzischen Selters im Westerwald bereits zu spüren. Im Westerwaldkreis und im angrenzenden Kreis Altenkirchen sind inzwischen 6,5 Hautarztsitze unbesetzt.

Verwaiste Praxissitze erhöhen den Patienten-Druck auf die verbleibenden niedergelassenen Dermatologinnen und Dermatologen, die den Andrang kaum noch bewältigen können. „Damit wird auch das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) mit seiner maximal vierwöchigen Wartefrist auf einen Facharzttermin ad absurdum geführt“, betont Dr. von Kiedrowski. Da Neupatienten und Patienten in der offenen Sprechstunde extrabudgetär vergütet werden, setzt das TSVG zudem falsche Anreize in der Versorgung hin zu Bagatellfällen und weg von chronisch Kranken. „Die Behandlung chronisch kranker Hautpatienten, beispielsweise mit Schuppenflechte, Neurodermitis oder Hautkrebs, stellt aufgrund der niedrigen Einzelfallpauschalen eine betriebswirtschaftliche Belastung dar, die nur über eine möglichst große Menge an Patienten aufgefangen werden kann“, sagt der BVDD-Präsident und fordert als möglichen Lösungsansatz den Ausbau von Selektivverträgen.

In diesem Bereich hat der Berufsverband der Deutschen Dermatologen bereits selbst die Initiative ergriffen und mit dem seit dem 1. Januar geltenden Vertrag „DermaOne“ die Grundlage für eine verbesserte leitliniengerechte Versorgung von Menschen mit der Diagnose mittelschwere bis schwere Psoriasis (Schuppenflechte) und/oder mittelschwere bis schwere Neurodermitis geschaffen. Der bundesweit geltende Vertrag ist konzipiert für Patientinnen und Patienten, die eine indikationsgerechte Behandlung mit sogenannten Biologika, PDE-4-Hemmern, JAK-Inhibitoren oder Fumaraten erhalten. Neben der Techniker Krankenkasse, die die Verhandlungen mit dem BVDD geführt hat, nehmen zehn weitere Krankenkassen (BARMER, DAK, HEK, hkk, IKK classic, KKH, Novitas BKK, pronova BKK, R+V BKK und VIACTIV) an DermaOne teil. Insgesamt erreicht das Angebot damit knapp 33 Millionen und damit rund 45 % der gesetzlich Versicherten. Dem Vertrag können weitere Krankenkassen beitreten.

Eine Vorreiterrolle spielt der BVDD auch beim Thema Telemedizin, mit der künftig Versorgungslücken insbesondere in ländlichen Regionen geschlossen werden könnten. Als visuelles Fach ist die Dermatologie prädestiniert für telemedizinische Anwendungen und hat als erste Fachgruppe überhaupt eine Leitlinie „Teledermatologie“ erarbeitet. Allerdings fehlt auch bei der Einführung digitaler Anwendungen in die Versorgung bislang eine Vergütung für Ärztinnen und Ärzte, die den zusätzlichen Aufwand betriebswirtschaftlich darstellt. „Als Berufsverband müssen wir den Kostenträgern klarmachen, dass ein Incentive wie beispielsweise ein Vertrag zur besonderen Versorgung nötig ist, um die Akzeptanz der Ärzteschaft für den Einsatz digitaler Anwendungen zu gewinnen und letztlich auch Versorgung zu verbessern“, stellt Dr. von Kiedrowski klar.

 

Terminhinweise:

Dermatologie KOMPAKT & PRAXISNAH:
Gemeinsame Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft e. V. (DDG) und des Berufsverbands der Deutschen Dermatologen e. V. (BVDD) vom 18. bis 20.02.2022

Wissenschaftliches Programm und weitere Informationen

 

Virtuelle Pressekonferenz von DDG und BVDD

Termin: 18.02.2022, 11 bis 12 Uhr

Anmeldung

Der Einwahl-Link für virtuelle Teilnehmende wird erst kurz vor der Veranstaltung kommuniziert.

Programm der Pressekonferenz

Neue Substanzklasse für die Therapie entzündlicher Hautkrankheiten: Wie JAK-Inhibitoren bei Neurodermitis, Vitiligo und Haarausfall wirken
Professor Dr. med. Michael Hertl
Direktor der Klinik für Dermatologie und Allergologie am Universitätsklinikum Marburg/UKGM und Präsident der DDG

Die Zukunft dermatologischer Versorgung im ambulanten Bereich: Niederlassungsfeindliche Rahmenbedingungen und Nachwuchsmangel gefährden eine wohnortnahe Versorgung
Dr. med. Ralph von Kiedrowski
Niedergelassener Dermatologe in Selters und Präsident des BVDD

Beruf Dermatologin/Dermatologe: Wissen und Kompetenz im Zentrum – wie sich die DDG für eine praxisorientierte Ausbildung einsetzt
Professor Dr. med. Julia Welzel
Direktorin der Klinik für Dermatologie und Allergologie am Universitätsklinikum Augsburg, Medizincampus Süd und Generalsekretärin der DDG

Spät erkannter Hautkrebs als Folge der Coronapandemie: Wie Dermatologinnen und Dermatologen mit der zunehmenden Versorgungslast in ihren Praxen umgehen
Dr. med. Thomas Stavermann
Ärztlicher Leiter im MVZ Hautzentrum Gropiuspassagen GmbH in Berlin und Vizepräsident des BVDD

 

Berufsverband der Deutschen Dermatologen e.V.
Pressestelle
Wolfgang Hardt
Tel: +49 2251 776 2525
w.hardt@avoid-unrequested-mailsbvdd.de

 

Über den Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD)

Der Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) e. V. ist der Zusammenschluss der in Deutschland niedergelassenen Hautärztinnen und Hautärzte zur Vertretung ihrer wirtschaftlichen und sozialpolitischen Interessen. Der BVDD hat rund 3.700 Mitglieder und setzt sich aktiv für verbesserte Rahmenbedingungen zur Versorgung hautkranker Menschen ein, fördert den Nachwuchs in der Dermatologie und beteiligt sich an den großen gesundheitspolitischen Diskussionen rund um Versorgungsinnovationen, medizinischen Fortschritt und neue Technologien wie Telemedizin, für die die Dermatologinnen und Dermatologen in Deutschland ungeschlagen die Vorreiterrolle innehaben. Zu den klassischen Aufgaben des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen gehören zudem Schulungen und Weiterbildungen für seine Mitglieder.

Über die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG):

Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) e. V. ist die wissenschaftliche Fachgesellschaft der deutschsprachigen Dermatologinnen und Dermatologen. Als eine gemeinnützige Organisation mit mehr als 3.800 Mitgliedern fördert sie Wissenschaft und Forschung auf dem Gebiet der Dermatologie und ihrer Teilgebiete. Die DDG setzt sich für die Förderung der klinischen und praktischen Dermatologie, Allergologie und Venerologie sowie ihrer konservativen und operativen Teilgebiete ein. Mit der Durchführung von wissenschaftlichen Veranstaltungen und Kongressen engagiert sie sich in der Fort- und Weiterbildung, sie entwickelt Leitlinien und unterstützt Forschungsvorhaben durch Anschubfinanzierungen und Förderungen. Darüber hinaus vergibt die DDG zusammen mit der Deutschen Stiftung für Dermatologie Forschungsgelder und Stipendien an vielversprechende Nachwuchsmedizinstudierende und an namhafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.