Erneut hat der Hautcheck-App-Anbieter Dermanostic vor Gericht eine Niederlage einstecken müssen. Die 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf hat der Dermanostic GmbH per Urteil, das der BVDD-Redaktion vorliegt, untersagt zu behaupten, sie habe Kooperationspraxen in jedem deutschen Bundesland. Ebenso darf der Hautcheck-App-Anbieter nicht länger behaupten, er arbeite mit mehr als 300 niedergelassenen Hautärzten in Deutschland zusammen. Bei Zuwiderhandlung droht ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro. Das Unternehmen hat beide Behauptungen daraufhin von seiner Website entfernt – und inzwischen Berufung gegen das Urteil eingelegt.
Mitbewerber stellt Testanfragen
Ins Rollen gebracht hatte den Prozess der Mittbewerber OnlineDoctor. Dieser hatte laut Urteil Ende 2024 eine Recherche durchgeführt. Mit Testanfragen hätten sich OnlineDoctor-Mitarbeiter über die Chatoption der App unter verschiedenen Namen und über das Bundesgebiet verstreuten Adressen an Dermanostic gewandt und angefragt, ob das Unternehmen in dem jeweils gewählten Ort über Kooperationspraxen verfüge. Dabei habe sich ergeben, dass in einer Vielzahl deutscher Großstädte und Bundesländer keine Kooperationspraxen existierten. Bei zwei Anfragen hätten sie zwar die Empfehlung je eines konkreten Hautarztes erhalten, die weitere Nachfrage habe jedoch gezeigt, dass diese Ärzte nicht mit dem Hautcheck-App-Anbieter kooperierten.
Zum Hintergrund
Bei Dermanostic erfolgt die Auswertung der von den Nutzerinnen und Nutzern übermittelten Fotos durch beim Unternehmen angestellte Fachärzte. Die Nutzer erhalten zwar einen Arztbrief, müssen sich aber unter Umständen selbst eine dermatologische Praxis vor Ort suchen, wenn die Online-Konsultation nicht ausreicht. Dazu dienen die angeblich mit Dermanostic kooperierenden Ärzte. OnlineDoctor ist hingegen eine Plattform, bei der sich Dermatologen kostenfrei anmelden und ihre Expertise anbieten können. Nutzer suchen sich in der Regel einen Hautarzt in der Nähe ihres Wohnortes aus. Reicht dann die Online-Konsultation nicht aus, erhalten sie einen Termin bei dem bereits bekannten Hautarzt.
Kooperationsvereinbarungen durch persönliche Gespräche
Im aktuellen Fall stellte OnlineDoctor einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, nachdem eine Abmahnung gegenüber dem Konkurrenten keine Wirkung zeigte. Nach wechselseitigen Stellungnahmen kam es Mitte März zur mündlichen Verhandlung. Im Vorfeld hatte die Dermanostic GmbH wie vom Gericht gefordert für jedes Bundesland mindestens einen niedergelassenen, kooperierenden Hautarzt mit Namen und Anschrift benannt. Außerdem legte sie eine Liste geordnet nach Bundesländern vor, aus der sich ergab, in welcher Stadt über 100.000 Einwohner wie viele der niedergelassenen, kooperierenden Hautärzte ansässig und wie viele niedergelassene, kooperierende Hautärzte darüber hinaus in dem jeweiligen Bundesland tätig sind. Und Dermanostic legte dar, wie die Kooperationsvereinbarungen getroffen worden seien.
Diese seien stets in einem professionellen persönlichen Gespräch erfolgt, in dem sich die Kooperationsdermatologen ausdrücklich zur Zusammenarbeit bereit erklärt hätten. Die Zusammenarbeit mit den Kooperationsärzten sehe vor, dass in Fällen, in denen nach der Online-Konsultation eine (Weiter-)Behandlung des Patienten durch einen Arzt vor Ort erforderlich sei, das Unternehmen dem Patienten auf Nachfrage einen Kooperationsarzt empfehlen könne. Dieser sei dann angehalten, diesen Patienten im Hinblick auf die Terminvergabe im Vergleich zu Neupatienten bevorzugt zu berücksichtigen.
Darüber hinaus argumentierte das Unternehmen laut Urteil, dass seine Hauptleistung weder die Vermittlung von Patienten an niedergelassene Ärzte sei noch ein Terminvereinbarungsservice, weshalb das Dermatologen-Netzwerk auf der Webseite auch nur kurz erwähnt werde und als untergeordneter Service nur für einen verschwindet geringen Teil von Patienten relevant sei. 92 % aller Fälle würden von den für Dermanostic tätigen Hautärzten abschließend geklärt und in den verbleibenden 8 % der Fälle hätten die Patienten häufig einen eigenen Dermatologen vor Ort oder wählten sich selbst einen aus. Angesichts der wenigen Fälle, in denen der Patient an einen Kooperationsarzt verwiesen werde, habe nicht jeder Praxismitarbeiter der kooperierenden Ärzte die Kooperation „auf dem Schirm“ und bedürfe es auch keines formalisierten Vertragsverhältnisses.
Gericht: Irreführende Werbung
Das Gericht folgte der Argumentation von Dermanostic jedoch nicht. Es sei festzustellen, dass das Unternehmen „nach wie vor nicht substantiiert vorgetragen habe, wie die angeblichen Kooperationsvereinbarungen getroffen worden und wie diese Kooperationen inhaltlich ausgestaltet seien. Eine Kooperation sei mehr als eine lose mündliche Absprache und lasse ein hinreichend formalisiertes, schriftlich dokumentiertes Vertragsverhältnis erwarten. Überdies habe die Überprüfung ergeben, dass mindestens fünf der mit Kontaktdaten benannten Kooperationspraxen nicht mit der Antragsgegnerin (Dermanostic, Anm. der Red.) zusammenarbeiteten und zwei weitere sich jedenfalls nicht verpflichtet sähen, Fälle der Antragsgegnerin zu übernehmen“, so das Gericht.
Zudem betonte das Gericht, dass sich die Werbung auf der Webseite an potentielle Patienten richte. Es handele sich also um Werbung im Bereich des Gesundheitswesens, bei der im Hinblick auf die Bedeutung des Rechtsguts Gesundheit und die hohe Werbewirksamkeit damit verbundener Aussagen strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit von Werbeaussagen zu stellen seien. „Die Werbung mit angegriffenen Äußerungen der Antragsgegnerin ist für einen erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise (Verbraucher, Anm. der Red.) irreführend“, lautete die eindeutige Einschätzung des Gerichts.
OnlineDoctor habe durch Vorlage der Testergebnisse „hinreichende Indizien dafür dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin nicht über Kooperationsärzte in jedem Bundesland und nicht in der angegebenen Anzahl von 306 niedergelassenen Hautärzten in Deutschland verfügt sowie – wie unstreitig – jedenfalls keine schriftlichen Vertragsvereinbarungen mit diesen geschlossen hat.“ Damit sei für die Dermanostic GmbH und ihre Patienten „völlig ungewiss, ob der vermittelte Patient schnell einen Termin bekommt und wurde die Zusage einer Übernahme im Regelfall von den kooperierenden Ärzten gerade nicht gegeben“. Das Unternehmen habe außerdem durch die Erklärung, dass es den Ärzten obliege, wie sie die Kooperation in den Praxen umsetzen und insbesondere ihrem Personal kommunizieren, deutlich gemacht, dass insoweit eben kein Mindeststandard vereinbart worden sei.
Erneute Niederlage
Das Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf ist bereits der dritte bekannte Fall, bei dem die Dermanostic GmbH eine gerichtliche Niederlage einstecken musste. Im April 2023 hatte das Landgericht Berlin einen Antrag des Hautcheck-App-Anbieters gegen den Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Der BVDD hatte zuvor seinen Mitgliedern von einer Teilnahme am nun erneut streitgegenständlichen Dermanostic-Netzwerk abgeraten. Im Juni 2024 hatte das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) Hamburg geurteilt, dass Hautcheck-Apps als Medizinprodukt mindestens der Klasse ll zertifiziert sein müssen. Dermanostic, das seine App mit einer (niedrigeren) Zertifizierung der Klasse I beworben hatte, musste daraufhin seine Anwendung in der beklagten Form zunächst vom Markt nehmen, konnte aber nach einer Umprogrammierung seiner App den Dienst weiter anbieten. Auch in diesem Falle hatte OnlineDoctor die Klage angestrebt. OnlineDoctor ist Mitglied des Digi Derma Campus, eines Mentoringprogramms des BVDD. Eine weitergehende Kooperation beziehungsweise geschäftliche Beziehungen zwischen dem BVDD und OnlineDoctor existiert nicht.
wha/BVDD