Bundeskabinett beschließt Versorgungsstrukturgesetz

Gesundheitspolitik

Ärztliche Versorgung soll sichergestellt werden

BERLIN - In einer erstmals vom neuen Vizekanzler Dr. Philipp Rösler geleiteten Sitzung hat das Bundeskabinett das Versorgungsstrukturgesetz beschlossen. Damit können nach der Sommerpause die parlamentarischen Beratungen beginnen, um das Gesetz wie geplant zum 1. Januar 2012 in Kraft treten zu lassen. Begleitet wird der Beschluss von Kommentierungen nahezu aller im Gesundheitswesen involvierten Organisationen, die zum Teil heftige Kritik üben.

In einer Pressemiteilung des Bundesgesundheitsministeriums sagte Minister Daniel Bahr zu dem Gesetzentwurf: „Ohne mehr Flexibilität in der Bedarfsplanung und ohne die notwendigen Anreize für die Mediziner in unterversorgten Gebieten droht ein zunehmender Mangel an Hausärzten, aber auch an Fachärzten. Das hat am Ende nicht nur negative Folgen für die Versorgung der Patientinnen und Patienten, sondern kostet auch mehr. Denn schon heute sind die Ausgaben für Rettungsfahrten und Krankenhauseinweisungen in einigen ländlichen Regionen deutlich höher als in Gebieten mit einem guten ärztlichen Angebot.”

Wenn auch das Ziel, die ärztliche Versorgung im Allgemeinen zu sichern und vor allem Anreize für die Niederlassung in unterversorgten Gebieten allgemein anerkannt ist, steht der vorliegende Gesetzentwurf nach wie vor stark in der Kritik.

Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) bezweifelt die Notwendigkeit des Gesetzes. „Es ist gesetzliche Aufgabe der Ärzteschaft, überall eine ausreichende ärztliche Versorgung sicherzustellen“, sagte ein Sprecher des Verbandes ‚welt online’. „Wenn die Ärzteschaft dazu bislang nicht in der Lage ist und deshalb der Gesetzgeber aktiv werden muss, darf diese Fehlleistung nicht noch mit einem Honorarzuwachs belohnt werden.“

Auch die Arbeitnehmerseite war unzufrieden mit dem Gesetz. Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied des DGB, nannte den Entwurf „beispiellose Klientelpolitik“. „Statt die Gesundheitsversorgung für Patienten zu verbessern, will die Koalition Ärzte und Zahnärzte mit höheren Honoraren versorgen“, so Buntenbach.

Von Seiten der Ärzteschaft wurde zwar die Grundidee begrüßt, aber bei einzelnen Regelungen Nachbesserungen verlangt. Dr. Andreas Köhler, Vorsitzender der KBV, sagte dem ARD-Morgenmagazin: „Das ist ein Gesetz für eine verbesserte Versorgung der Versicherten in Deutschland und nicht für die Ärzte.“ Die von der KBV berechneten Mehrkosten von 300 Millionen Euro könnten an anderer Stelle im Gesundheitssystem eingespart werden, so Köhler. Gleichzeitig wies er die Idee einiger CDU/CSU-Bundestagsabgeordneten zurück, neben Honorarzuschlägen für unterversorgte Gebiete auch Abschläge für überversorgte Gebiete zu etablieren. „Wir haben eine ungleichförmige Verteilung, dürfen aber nicht vergessen, dass die Ärzte in den Städten mittlerweile den ländlichen Raum mit versorgen. Jetzt diese Ärzte zu bestrafen, heißt doch, dass wir die Versorgung verschlechtern und nicht verbessern.“

Der Vorsitzende des Hartmannbundes Hon.-Prof. Kuno Winn sagte dazu: „Erstmals erkennt die Politik faktisch Ärztemangel in Deutschland als Problem an und bietet Lösungsansätze. Das ist ein nahezu historischer Durchbruch.“ Dieser dürfe nicht dadurch konterkariert werden, dass man nun bei der Union darüber diskutiere, notwendige und sinnvolle Anreizsysteme für Ärztinnen und Ärzte in unterversorgten Regionen über Abzüge bei denjenigen Kolleginnen und Kollegen zu finanzieren, die an anderer Stelle die Versorgung gewährleisten.

Martin Grauduszus, Vorsitzender der freien Ärzteschaft, sagte zum Kabinettsbeschluss: „Die jetzt beginnenden parlamentarischen Beratungen zu diesem Gesetz müssen intensiv genutzt werden, entscheidende und belastbare Nachbesserungen zu erreichen.“ Dabei nannte Grauduszus speziell die Einführung der spezialärztlichen Versorgung, für die auch Köhler Nachbesserungen verlangte.