JAK-Inhibitoren bei dermatologischen Indikationen: Aktuelle Empfehlungen für die Systemtherapie mit Januskinase-Inhibitoren

BerlinHautarztnews

Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA hat vor Kurzem Empfehlungen und Sicherheitshinweise für die systemische Behandlung mit JAK-Inhibitoren herausgegeben. Daraufhin haben die Herstellerfirmen einen „Rote-Hand-Brief“ versendet. Nun haben BVDD, die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) und das Hautnetz Deutschland gemeinsam Empfehlungen für die Systemtherapie mit Januskinase-Inhibitoren bei dermatologischen Indikationen erarbeitet.

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Die folgenden Angaben beziehen sich neben den Empfehlungen der EMA auf die aktuell verfügbare Evidenz und einen Expertenkonsens auf der Basis vorausgehender Literaturdaten.

 

Aktuelle Empfehlungen für die Systemtherapie mit Januskinase- (JAK-) Inhibitoren bei dermatologischen Indikationen (Stand: 17.03.2023)
 

1. Betroffene Medikamente und Indikationen

Folgende JAK-Inhibitoren (JKAi) sind bei dermatologischen Erkrankungen in Deutschland derzeit zugelassen1:

  • Abrocitinib: Atopische Dermatitis
  • Baricitinib: Atopische Dermatitis und Alopecia areata
  • Upadacitinib: AtopischeDermatitis und Psoriasis-Arthritis
  • Tofacitinib: Psoriasis-Arthritis
     

2. Zusammenfassung der EMA-Empfehlungen

JAKI sollten gem. der EMA Empfehlungen vom 23.1.2023 bei den folgenden Patienten nur dann eingesetzt werden, wenn keine geeigneten Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen: Patienten im Alter von 65 Jahren oder älter, Patienten mit erhöhtem Risiko für schwere Herz- Kreislauf-Probleme (z.B. Herzinfarkt oder Schlaganfall), Patienten, die rauchen oder in der Vergangenheit lange geraucht haben, und Patienten mit erhöhtem Krebsrisiko. JAK-Inhibitoren sollten bei Patienten mit Risikofaktoren für Blutgerinnsel in der Lunge und in tiefen Venen (venöse Thromboembolien, VTE), die nicht zu den oben genannten Patientengruppen gehören, „mit Vorsicht“ angewendet werden. Außerdem sollte die Dosierung bei Patientengruppen, bei denen ein Risiko für venöse Thromboembolien, Krebs oder schwere Herz-Kreislauf-Probleme besteht, wenn möglich reduziert werden.
 

3. Einschätzung der Datenlage

  1. Die von der EMA herausgegebenen Empfehlungen zum systemischen Einsatz der JAKi betreffen Risiken, die uns grundsätzlich bereits aus den Zulassungstexten der jeweiligen Medikamente bekannt sind. Auch vor der EMA-Stellungnahme galten besonders strenge Indikationsstellungen bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen, Malignomen, höherem Alter, erhöhten Thrombose- und Infektionsrisiken. Diese waren und sind zu beachten.

  2. Einschränkend ist zu den EMA-Empfehlungen zu sagen, dass diese sich überwiegend aus Studiendaten zu Tofacitinib und Registerdaten zu Baricitinib bei überwiegend älteren Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) ableiten. Die EMA bezieht sich dabei auf Patienten mit RA, die bestimmte Risikofaktoren aufwiesen und mit JAKi behandelt wurden2. Bei diesen wurde eine erhöhte Inzidenz von malignen Erkrankungen, schwerwiegenden unerwünschten kardiovaskulären Ereignissen (MACE), schwerwiegenden Infektionen, venösen Thromboembolien (VTE) und Mortalität im Vergleich zu TNF-alpha-Inhibitoren beobachtet.

  3. Aus der bisher publizierten Datenlage gibt es keine hinreichenden Erkenntnisse, dass die Risikoprofile für das Auftreten der benannten schweren Nebenwirkungen im Analogieschluss von rheumatoider Arthritis auf die dermatologischen Indikationen übertragen werden können3. Dies gilt sowohl für die atopische Dermatitis4,5 wie auch für die Psoriasis-Arthritis6und die Alopecia areata7. Orale JAK-Inhibitoren wiesen in den klinischen Studien bei dermatologischen Indikationen niedrige Raten von venösen Thromboembolien, schwerwiegenden unerwünschten kardiovaskulären Ereignissen und Malignität auf, verglichen mit ähnlich niedrigen Raten bei Placebos8. Die meisten Patienten, die schwerwiegende unerwünschte Ereignisse entwickelten, hatten spezifische Risikofaktoren für das Ereignis. Zu den häufigsten behandlungsbedingten unerwünschten Ereignissen, die bei ≥ 5 % der Patienten, die orale JAK-Inhibitoren erhielten, beobachtet wurden, gehörten Infektionen der oberen Atemwege, Nasopharyngitis, Übelkeit, Kopfschmerzen und Akne.

  4. Die aktuelle Datenlage legt ferner nahe, die beobachteten schweren Nebenwirkungsprofile von Tofacitinib in der von der EMA zugrunde gelegten Studie von Ytterberg et al. nicht unmittelbar auf die anderen JAK-Inhibitoren übertragen zu können. Beobachtet wurden bei diesen zwar einige Nebenwirkungen, die auf einen Klasseneffekt hinweisen könnten, andere kommen jedoch nicht bei allen Präparaten vor oder unterscheiden sich quantitativ.

  5. Unklar ist für die Risikoeinschätzung in der klinischen Routine die Bedeutung der Komorbidität sowie der Begleitmedikation. Für die umfassende Bewertung aller JAK-Inhibitoren bei den dermatologischen Indikationen fehlen noch Studiendaten aus der Routineversorgung, insbesondere auch aus den Therapieregistern. Mit den aktuellen Therapieregistern zur Psoriasis (PsoBest) und atopischen Dermatitis (TREAT Germany und ADBest-Treat) werden diese Daten systematisch erhoben. Wir empfehlen Ihnen die Meldung der Patienten unter JAK-Inhibitoren in eines dieser Register.
     

4. Hinweise für die Praxis

  1. Die JAK-Inhibitoren Abrocitinib, Baricitinib und Upadacitinib sind im dermatologischen Bereich für die Behandlung der Psoriasis-Arthritis, atopischen Dermatitis oder Alopecia areata zugelassen und können unter konsequenter Beachtung der Risiken und Vorsichtsmaßnahmen eingesetzt werden. Bei der Indikationsstellung sind die vorgenannten Risikogruppen zu beachten und therapeutische Alternativen zu prüfen. Zur Anwendung von Tofacitinib bei Psoriasis-Arthritis kann angesichts des ungünstigeren Risikopotentials und der großen Zahl verfügbarer Alternativen nur in Ausnahmefällen geraten werden.

  2. Bei Vorliegen der besonders herausgehobenen Risikomerkmale (hohes Alter, erhöhte Risiken für Malignome oder kardiovaskuläre Ereignisse inklusive Rauchen, Thrombosen, schwere Infektionen) sind – sofern indiziert und verfügbar – zunächst Arzneimittel anderer Substanzgruppen zu empfehlen. Wenn diese Risikomerkmale nicht vorliegen, kommen die genannten JAKi bei entsprechender Indikationsstellung ggf. auch als Firstline-Medikamente in Frage. Diese Risikofaktoren sind dabei einzeln zu prüfen:

    - Alter: > 65 Jahre

    - Kardiovaskuläres Risiko: bekannte koronare Herzerkrankung, signifikante Arteriosklerose (z. B. periphere arterielle Verschlusskrankheit), früheres kardiovaskuläres Ereignis (z. B. Myokardinfarkt, ischämischer Schlaganfall)

    - Thrombembolisches Risiko: frühere venöse Thrombose oder Lungenembolie, bekannte Thrombophilie, aktuelle Erkrankungen oder Medikation mit erhöhtem Thromboserisiko

    - Raucherstatus: aktiver Langzeitraucher oder Ex-Raucher, der in den letzten Jahren längere Zeit und stärker geraucht hat

    - Tumorrisiko: bestehende oder vorausgehende maligne Erkrankung, erhöhtes Tumorrisiko (familiär, Exposition)

  3. Die klinischen Definitionen für die Risikogruppen sind bisher nicht hinreichend standardisiert. So ist weder eindeutig festgeschrieben, was als Malignomrisiko anzusehen ist und welche Raucheranamnese als hinreichender Risikofaktor zu bewerten ist. Wir empfehlen daher, wie bisher Einzelfall-Entscheidungen auf dem Boden einer individuellen Risiko-Nutzen-Kostenabwägung unter sorgfältiger Aufklärung des Patienten zu treffen. Eine Patienteninformation (in Abstimmung) kann in Kürze unter www.arzneimittelleitfaden.de heruntergeladen werden9.
    Für weitere Details verweisen wir auch auf die aktuelle Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie10, die zu Recht darauf hinweist, dass die EMA-Hinweise zu besonderen möglichen Risiken einer JAK-Inhibitor-Therapie keine Zulassungsbeschränkungen oder Kontraindikationen darstellen, sondern Empfehlungen zur Erhöhung der Therapiesicherheit darstellen.

 

Für die Richtigkeit:

Arbeitsgruppe der DDG, BVDD, Hautnetz Deutschland und PsoNet 

Prof. Dr. M. Augustin, Prof. Dr. Mark Berneburg, Prof. Dr. Michael Hertl, Dr. Ralph v. Kiedrowski, Dr. Thomas Stavermann, Prof. Dr. Diamant Thaçi, Prof. Dr. Julia Welzel, Prof. Dr. Thomas Werfel

 

Literatur

1 Zulassungstexte von Abrocitinib, Baricitinib, Upadacitinib, Tofacitinib
2 Ytterberg SR, et al. Cardiovascular and cancer risk with tofacitinib in rheumatoid arthritis. New Engl J Med 2022;386(4):316-326. doi: 10.1056/NEJMoa2109927.

3 Burmester GR, Cohen SB, Winthrop KL, Nash P, Irvine AD, Deodhar A, Mysler E, Tanaka Y, Liu J, Lacerda AP, Palac H, Shaw T, Mease PJ, Guttman-Yassky E. Safety profile of upadacitinib over 15 000 patient- years across rheumatoid arthritis, psoriatic arthritis, ankylosing spondylitis and atopic dermatitis. RMD Open. 2023 Feb;9(1):e002735

4 Gargiulo L, Ibba L, Cortese A, Avagliano J, Valenti M, Costanzo A, Narcisi A. Real-Life Effectiveness and Safety of Upadacitinib in Adults and Adolescents with Moderate-to-Severe Atopic Dermatitis: A Single- Center 16-Week Study. Dermatol Ther (Heidelb). 2023 Feb;13(2):651-660

5 Alves C, Penedones A, Mendes D, Batel Marques F. The safety of systemic Janus kinase inhibitors in atopic dermatitis: a systematic review and network meta-analysis. Eur J Clin Pharmacol. 2022 Dec;78(12):1923-1933.

6 McInnes IB, Kato K, Magrey M, Merola JF, Kishimoto M, Haaland D, Chen L, Duan Y, Liu J, Lippe R, Wung P. Efficacy and Safety of Upadacitinib in Patients with Psoriatic Arthritis: 2-Year Results from the Phase 3 SELECT-PsA 1 Study. Rheumatol Ther. 2023 Feb;10(1):275-292.

7 King B, Mostaghimi A, Shimomura Y, Zlotogorski A, Choi GS, Blume-Peytavi U, Passeron T, Holzwarth K, Dutronc Y, McCollam J, Yang FE, Stanley S, Wu WS, Sinclair R. Integrated safety analysis of baricitinib in adults with severe alopecia areata from two randomized clinical trials. Br J Dermatol. 2023 Feb 10;188(2):218-227..

8 Samuel C, Cornman H, Kambala A, Kwatra SG. A Review on the Safety of Using JAK Inhibitors in Dermatology: Clinical and Laboratory Monitoring. Dermatol Ther (Heidelb). 2023 Mar;13(3):729-749.

9 Arbeitsgruppe JAKi in der Dermatologie: Information für Patienten zur Systemtherapie mit JAK- Inhibitoren; www.arzneimittelleitfaden.de; letzter Zugriff: 17.03.2023

10https://dgrh.de/Start/Publikationen/Empfehlungen/Medikation/Januskinase-Inhibitoren-(JAKi).html.