Berufsausübungsgemeinschaft Kein geringeres RLV durch Anfängerstatus

KasselPraxismanagement

Die Schutzklausel für Berufsanfänger und Neupraxen darf sich nicht negativ auf das Regelleistungsvolumen (RLV) einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) auswirken. Und ein Arzt, der nach 30-jähriger Berufstätigkeit neu in eine BAG oder ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) einsteigt, macht aus der BAG oder dem MVZ keine „Anfängerpraxis“. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) zu den Wachstumsmöglichkeiten einer „Anfängerpraxis“ entschieden.

Hintergrund der Entscheidungen ist, dass nach ständiger Rechtsprechung des BSG junge Ärzte die Möglichkeit haben müssen, mit ihrer neuen Praxis auf den Durchschnitt ihrer Fachgruppe zu wachsen. Der Zeitraum für diese Wachstumsphase wird von den Kassenärztlichen Vereinigungen unterschiedlich angesetzt. Die meisten KVen geben den Praxen hierfür fünf, einige nur drei Jahre Zeit, legen aber in den Honorarverteilungsregelungen wenig dazu im Detail fest. Das BSG hatte jetzt zu klären, was gilt, wenn solche „Wachstumsregelungen“ gänzlich fehlen.

Im ersten Fall ging es um ein MVZ in Bayern. Ein Arzt desselben Planbezirks hatte nach 30-jähriger Tätigkeit in Einzelpraxis diese aufgegeben und war in das MVZ eingestiegen. Ausdrücklich festgestellt wurde dies nicht, aber er plante wohl, zumindest mittelfristig seine Berufstätigkeit aufzugeben und seinen Vertragsarztsitz dem MVZ zu überlassen. Jedenfalls wollte das MVZ auch die früheren RLV-relevanten Fallzahlen des Arztes übernehmen. Schließlich sei das erst zwei Jahre alte MVZ noch in der Anfangsphase und müsse daher Wachstumsmöglichkeiten haben. Dies lehnte das BSG aber ab. Für Anfängerregelungen in einem MVZ komme es nicht nur auf dessen Alter an, sondern auch auf die bisherige Berufstätigkeit des dort neuen Arztes. Und da könne nach 30-jähriger Berufstätigkeit von einem Anfänger nicht mehr die Rede sein. Nur wenn der ins MVZ einsteigende Arzt aus einem anderen Planbezirk kommen würde, könnte sich das MVZ auf den Anfängerstatus berufen.

Im zweiten Fall – einer BAG in Schleswig-Holstein – ging es um die Frage, welches RLV einer BAG zusteht, wenn eine Ärztin hinzukommt. Die KV bemaß das RLV der BAG so, dass der alte Arzt das halbe RLV bekam und die neue Kollegin faktisch an ihren Einsteigerumsätzen festgehalten wurde. Im Ergebnis bekam die BAG daher „dank“ Anfängerschutz ein geringeres RLV als ohne. Das lehnten die Kasseler Richter ab. Die KV hätte der ganzen BAG ein RLV zuweisen müssen, das dann bei junger BAG mit junger Ärztin unter Wachstumsschutz stünde. Eine solche BAG dürfte in der Aufbau- oder Übergangsphase nicht schlechter gestellt sein als eine alte BAG in vergleichbarer Situation. Eine junge BAG mit einem zusätzlich einsteigenden Arzt müsste zumindest den Fachgruppendurchschnitt als zusätzliches RLV bekommen.

 

BSG, 24.1.2018, A.: B 6 KA 23/16 R (MVZ in Bayern), Az. B 6 KA 2/17 R (BAG in Schleswig-Holstein)