Informationsfluss Bedrohlicher Befund: Patient muss informiert werden

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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass ein Arzt dafür sorgen muss, dass sein Patient von bedrohlichen Befunden unter allen Umständen erfährt, auch wenn dieser schon länger nicht mehr bei ihm in der Praxis war.

In dem Streit verlangt ein Mann von seiner langjährigen Hausärztin Schmerzensgeld und Schadenersatz. Sie hatte ihn wegen Schmerzen im linken Bein und Fuß an einen Facharzt überwiesen. Später wurde ein Geschwulst in der Kniekehle entdeckt, das bei einer Operation entfernt wurde. Dass das Geschwulst ein bösartiger Tumor war, teilte die Klinik ausschließlich der Hausärztin mit. Sie sprach den Mann knapp eineinhalb Jahre später darauf an, als dieser wegen einer Handverletzung das nächste Mal zu ihr kam. Er benötigte danach weitere Krankenhausaufenthalte und Operationen.

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hatte die Klage des Patienten abgewiesen. Die Richter hielten es für nachvollziehbar, dass die Ärztin, die zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr in die Behandlung eingebunden war, nichts unternommen hatte.

Das sah der BGH anders. Dem Arztbrief, der nur an sie ging, habe die Ärztin unschwer entnehmen können, dass die Klinik sie irrtümlicherweise für die behandelnde Ärztin hielt. Gerade in ihrer koordinierenden Funktion als Hausärztin hätte sie die Information weitergeben müssen. Die Hausärztin hätte nicht einfach annehmen dürfen, auch die Facharztpraxis oder der Patient selbst hätten den Befund des Klinikums erhalten. Denn darauf gebe es in dem zweiten Arztbrief keinerlei Hinweise. Gerade bei langjährigen Patienten müssten Hausärzte auch damit rechnen, dass Patienten sie im Krankenhaus als Ansprechpartner angeben.

Der Arzt, der als einziger eine solche Information bekommt, muss den Informationsfluss aufrechterhalten, wenn sich aus der Information selbst nicht eindeutig ergibt, ob der Patient oder der weiterbehandelnde Arzt sie ebenfalls erhalten hat. Da es sich um einen „bedrohlichen Befund“ gehandelt hatte, war der Anlass zu umgehender weiterer Behandlung gegeben. Daher liege ein „schwerer ärztlicher Behandlungsfehler“ vor. Ob auch anderen Ärzten Versäumnisse vorzuwerfen seien, spiele keine Rolle, betonten die Richter.

In solchen Fällen müssten Ärzte den Patienten kurzfristig neu einbestellen. Zwar habe hier die Hausärztin die Behandlung an die Facharztpraxis abgegeben. Der zweite Arztbrief sei aber nur an sie gerichtet gewesen mit der Aufforderung, den Patienten in ein onkologisches Spezialzentrum zu schicken. Offenbar habe die Klinik die Hausärztin als behandelnde Ärztin angesehen. Auch wenn dies ein Irrtum war, hätte sie den Arztbrief nicht ignorieren und „sehenden Auges eine Gefährdung ihres Patienten hinnehmen“ dürfen. Auch nach einer Überweisung treffe Ärzte eine „nachwirkende Schutz- und Fürsorgepflicht“.

Der BGH verwies den Streit zurück an das OLG. Die Bewertung des Fehlers als „grob“ führt nun zu einer Beweislastumkehr. In der Neuverhandlung muss nun die Hausärztin nachweisen, dass es auch bei einer sofortigen Information über den Befund zu einem Rezidiv des Tumors gekommen wäre.

 

BGH, 26.6.2018, Az.: VI ZR 285/17