Fachärzte behandeln AOK-Patienten nur noch gegen Rechnung

Gesundheitspolitik

Krankenkasse spricht von "Drohgebärde" und gibt der KV die Schuld

MÜNCHEN - In Bayern werden AOK-Versicherte ab dem 1. Januar in vielen Facharztpraxen nur noch gegen Kostenerstattung behandelt. Das haben in einer gemeinsamen Presseerklärung die Berufsverbände der Frauenärzte, der Internisten, der Kinder- und Jugendärzte sowie der BVDD-Landesverband Bayern angekündigt.

Hintergrund ist der exklusive Hausarztvertrag, den die AOK Bayern mit dem Bayerischen Hausärzteverband (BÄHV) vorbereitet hat und der im neuen Jahr in Kraft treten soll. „Dieser Vertrag, der hinter unserem Rücken ausgehandelt wurde, bevorzugt einen Verband und eine Arztgruppe zu Lasten aller anderen Ärzte. Es ist geradezu unglaublich, wie eine Krankenkasse so eine Monopolstellung der bayerischen Hausärzte vorantreibt. Das ist ein Schlag ins Gesicht aller anderen Ärzte in Bayern und bedroht deren Existenz. Wir werden deshalb Versicherte der AOK nur noch in Notfällen oder gegen Vorkasse behandeln“, so Dr. Heinz Reiniger, Landesverbandsvorsitzender der Kinder- und Jugendärzte in Bayern.

Und auch bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) stehen die Zeichen auf Sturm. „Es kann nicht sein, dass eine Krankenkasse mit Geld von Versicherten eine Arztgruppe besonders großzügig honoriert. Noch vor einer Woche hat die AOK selbst diesen Vertrag abgelehnt mit der Begründung, dass die Forderungen der Hausärzte um bis zu 250 Millionen über der vereinbarten Regelvergütung liegen“, so der Vorstandvorsitzende der KVB, Dr. Axel Munte.

Viele niedergelassene Fachärzte und auch die hausärztlich tätige Internisten werten den Schritt der AOK als Kampfansage an die fachärztliche Versorgung in Bayern. „Mit diesem Vertrag schadet die AOK auch ihren eigenen Versicherten, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass die AOK-Versicherten auf die Kompetenz der niedergelassenen Fachärzte in Bayern verzichten wollen. Im Gegenzug werden wir unseren AOK-Patienten raten, zu prüfen, ob sie mit ihren Kindern noch in der richtigen Versicherung sind“, gibt Reiniger die Richtung vor, der sich bereits auch andere Facharztverbände angeschlossen haben.

Die AOK Bayern wiegelte in einer ersten Stellungnahme ab. "Die Krankenkassen sind der falsche Adressat», sagte AOK-Sprecher Michael Leonhart. Er gehe von einer bloßen Drohgebärde aus. Die KV Bayern sei verantwortlich. Die enthalte den Fachärzten die Hälfte und den Hausärzten ein Viertel des ihnen zustehenden Geldes in der aktuellen Honorarkalkulation vor.

Alarmstimmung herrscht nicht nur bei den bayerischen Fachärzten und der KVB. Auch die bayerischen Betriebskrankenkassen und der Verband der Angestellten Krankenkassen (VdAK) wollen sich dem „Ablasshandel des Bayerischen Hausärzteverbandes nicht beugen,“so der der Landesverband der Angestellten-Krankenkassen in einer Pressemitteilung.Beide Krankenkassenverbände zusammen zählen rund 54% der gesetzlich Krankenversicherten in Bayern.

Als Druckmittel für einen Vertragsabschluss setzt der BHÄV auch den neuen milliardenschweren Finanzausgleich ein. Ab 2009 sind die Einnahmen der gesetzlichen Krankenkassen von der Krankheitsstruktur ihrer Versicherten abhängig. Gewinner dieser Umverteilung sind Kassen, die viele Versicherte in bestimmten Krankheitsgruppen haben.

Als „Gegenleistung für das Entgegenkommen der AOK“ zum Hausärztevertrag fordert der BHÄV seine Mitglieder auf, „…eine entsprechende [Krankheits-]-Codierung bei den AOK-Patienten vorzunehmen.“ Denn, so der BHÄV weiter: „Nur eine AOK, die entsprechende Zuweisungen über den Risikostrukturausgleich erhält, kann diesen Vertrag auf Dauer bedienen.“ Von einer qualitativen Verbesserung der medizinischen Versorgung ist laut VdAK nicht die Rede – im Gegenteil.

Aufgrund dieser politisch erzwungenen Umverteilung der Versichertengelder zugunsten nur eines Arztverbandes, sehen die beteiligten Ärzteverbände die wohnortnahe fachärztliche Versorgung ernsthaft gefährdet. Gemeinsam mit anderen Verbänden sind daher flächendeckende Protestaktionen vorgesehen für den Fall, dass die geplante Honorarregelungen Bestand haben sollte.