Chancen für die Wende bei Hautkrebs

Gesundheitspolitik

Parlamentarischer Abend zur Hauttumorvorsorge in der dänischen Botschaft

BERLIN - Der Trend ist ungebrochen. Die Hautkrebsraten steigen weiterhin. Lässt sich diese Entwicklung stoppen oder gar umkehren? Die Vielschichtigkeit des Themas machte ein Parlamentarischer Abend auf Einladung der dänischen Botschaft deutlich. Neben Dermatologen waren auch Vertreter anderer medizinischer Disziplinen, der Krankenkassen und der Pharmaindustrie unter den Gästen.

Die gesundheitspolitische Brisanz des Themas verdeutlichte Prof. Eggert Stockfleth von der Europäischen Hautkrebsstiftung (ESCF). Insbesondere die Bedeutung des hellen Hautkrebses werde erheblich unterschätzt. Um fünf bis sieben Prozent steigt die Zahl der Neuerkrankungen, wie die ESCF in ihrer eben erst veröffentlichten europaweiten Epiderm-Fallkontrollstudie festgestellt hat. Die Zahl der aktinischen Keratosen, einer Frühform des hellen Hautkrebses, gehe in die Millionen.


Um die Trendumkehr bei den Hauttumoren zu schaffen, setzt sich ESCF im Zuge der primären Vorsorge für Aufklärung schon im Kinder- und Jugendalter ein. Darüber hinaus aber wirbt sie nach den Worten ihres Präsidenten Prof. Stockfleth dafür, ein Bevölkerungsscreening nach deutschem Muster europaweit einzuführen. Eine Wende erwartet Stockfleth allerduings früheatens in der kommenden Generation.

 

Rund zwei Stunden erörterte eine Expertenrunde mit Moderatorin Dr. Susanne Holst (Tagesthemen) alle wesentlichen Aspekte der Hauttumorprävention: der von ihr als der "Vater" des Hautkrebsscreening in der gesetzlichen Krankenversicherung titulierte Prof. Eckart Breitbart bezeichnete die in Deutschland im Jahr 2008 getroffene gesetzliche Regelung "als Erfolg schlechthin". Es sei gelungen neben dem malignen Melanom auch das Basalzellkarzinom und das Spinalzellkarzinom einzubeziehen. Er verwies damit auf eine Neuerung in der gesetzlichen Krebsfüherkennung. Anders als alle übrigen "Zieltumoren" der Früherkennung verlaufen die letztgenannten beiden Formen des "weißen" Hautkrebses nämlich in aller Regel nicht tödlich.

Breitbart wies im Übrigen den ihm zugesprochenen ehrenvollen Titel zurück. Wenn überhaupt sei der Gemeinsame Bundesausschuss "Vater des Hautkrebsscreening". Dort sei eine Verbesserung dieses Teils der gesetzlichen Krebsfrüherkennung nahezu 20 Jahre lang beraten worden, ehe es 2004 zu einem Pilotversuch in Schleswig-Holstein kam.


Als Gastgeschenk an das Auditorium offerierte der Vordenker des bundesdeutschen Hautkrebsfrüherkennung 50 graue Koffer mit dem Schulungsmaterial, das Haus- wie dermatologische Fachärzte bei der eintägigen Einführungveranstaltung erhalten, die Voraussetzung für die Zulassung zum "Kassenscreening" ist. "Da steht alles drin, was man zur Hautkrebsprävention wissen muss", erläuterte Breitbart.


BVDD-Präsident Dr. Michael Reusch warb für den direkten Zugang zum Dermatologen ohne regelhafte Vorschaltung eines Nicht-Hautarztes bei der Hautkrebsfrüherkennung: anders als in anderen europäischen Ländern verfüge Deutschland über eine hohe Dermatologendichte. Im Übrigen liege die Bundesrepublik nach Australien im Hinblick auf die Eindringtiefe neu entdeckter Hauttumoren auf Rang zwei, verwies der BVDD-Präsident auf die hohe Qualität einer Hautkrebsfrüherkennung, die über viele Jahre ausschließlich von seiner Fachgruppe getragen wurde, ehe sie Krankenkassenleistung mit Beteiligung der Allgemeinmediziner wurde.


Reusch stellte den Einsatz der Fachgruppe für die Früherkennung  heraus. 330 Screenings erbringe jede dermatologische Praxis im Quartal allein in der GKV. Verbessert werdne müsse aber das Wissen in der Bevölkerung über das Angebot im Rahmen der gesetzlichen Krankenkasse. Reusch verwies in diesem Zusammenhang auf eine von der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft beauftragte Umfrage. Sie ergab, dass nur knapp jeder zweite über das Screening-Angebot zur Hautkrebsfrüherkennung informiert ist.


Große Chancen, die Reichweite der Hautkrebsfrüherkennung zu erhöhen, sieht Dr. Anette Wahl-Wachendorf im Betrieb. Die Leiterin des Arbeitsmedizinischen Dienstes der Bau- Berufsgenossenschaft wies darauf hin, dass anders als in der gesetzlichen Krankenversicherung Betriebs- und Werksärzte bundesweit Jahr für Jahr vier Millionen Beschäftigte sehen, die sich aufgrund einer betrieblichen Verpflichtung untersuchen lassen müssen.

 

Wahl-Wachendorf kündigte eine betriebliche Früherkennungs-Initiative des Berufsverbandes der Betriebs- und Werksärzte an, bei der eine regelhafte Zuweisung an den niedergelassenen Dermatologen vorgesehen ist. Allerdings wünsche sie sich dann auch eine Rückmeldung an den zuweisenden Betriebsarzt und eine engere Verzahnung mit dem behandelnden Hautarzt.


Eine positive Zwischenbilanz des Hautkrebsscreenings zog auch Klaus Rupp, Leiter der Fachbereichs Versorgungsmanagement von der Techniker-Krankenkasse. Sieben Prozent der  20- bis 35jährigen TK-Versicherten nähmen ein neu eingeführtes  Zusatzangebot ihrer Krankenkasse wahr, berichtete Rupp. Damit bleibe dieser besondere Service für die Krankenkasse bezahlbar. Der TK-Fachbereichsleiter stellte eine Initiative seiner Kasse im Gemeinsamen Bundesausschuss in Aussicht, das Hautkrebsscreening der gesetzlichen Krankenversicherung auf die bislang noch nicht erfassten unter 35-Jährigen auszudehnen.

 

Mit dem BVDD, der ADP, dem VDBW und der ESCF saßen allein vier Verbände in der dänischen Botschaft an einem Tisch, die Jahr für Jahr neue öffentlichkeitswirksame Kampagnen zur gesundheitlichen Aufklärung der Bevölkerung organisieren. Um eine höhere Durchschlagskraft dieser Initiativen zur Hautkrebsvorsorge und Früherkennung zu erzielen, plädierte Prof. Wolfgang Weiss vom Bundesamt für Strahlenschutz für ein Netzwerk aller an diesem Thema beteiligten Akteure: nicht im Sinne einer inhaltlichen Gleichschaltung, wie Weiss weiter ausführte, sondern unter Wahrung der Eigenständigkeit der unterschiedlichen Ansätze.


Erwartungen auf finanzielle Unterstützung aus Mitteln des Bundes dämpfte Karin Magg, Mitglied im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags. Sie persönlich, aber auch andere Ausschussmitglieder seien gerne bereit, den Kontakt zu Sponsoren zu vermitteln, bot die Parlamentarierin an.


Mit der Leo Pharma saß an diesem Abend ein solcher Partner aus aktuellem Anlass mit in der Runde. Das dänische Unternehmen in der Rechtsform einer Stiftung reinvestiert seine Geschäftserlöse voll und ganz in die Forschung und Entwicklung, wie der Geschäftsführer für Deutschland, Dr. Franz Peter Kesseler, erläuterte. Das Unternehmen wird, wie er mitteilte, voraussichtlich im kommenden Jahr ein neues Produkt mit der Indikation aktinische Keratose einführen, das die Behandlungsdauer auf drei Tage verkürzt. Die Zulassungsanträge sind gestellt, Leo Pharma habe allein in Deutschland 60 neue Mitarbeiter eingestellt, berichtete Kesseler.