BVDD fordert umfassende Härtefall-Regelung für chronisch Hautkranke

Gesundheitspolitik

Nach dem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts

KARLSRUHE - Das Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts zur Berechnung des Arbeitslosengeldes 2 hat Folgen für die medizinische Versorgung. Chronisch hautkranke Langzeitarbeitslose können auf höhere Leistungen hoffen.

Die Forderung nach einer sofortigen Härtefallregelung ist Teil eines Grundsatzurteils des BVerfG zu Rechtmäßigkeit der Regelsätze des SGB 2 (Hartz IV), die das Gericht als nicht verfassungskonform verwarf. Sie müssen spätestens bis zum 31. Dezember 2010 neu berechnet werden. Zudem muss im Zuge einer umgehend einzuführenden Härtefallregelung, ein „unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger, besonderer Bedarf“ abgedeckt werden, wie er etwa durch Selbstbehalte bei chronischen Erkrankungen entsteht, so dei Karlsruher Richter.

 

Bereits in der Woche nach dem Urteil hat das Bundesarbeitsministerium eine „Geschäftsanweisung" auf den Weg gebracht, mit der „Härtefall“ definiert werden soll. Anhand dieses Katalogs sollen die zuständigen Behörden vor Ort über die jeweils im Einzelfall zu stellenden Anträge entscheiden.

Als unmittelbare Reaktion auf die Entscheidung des Verfassungsgerichts hatte BVDD-Präsident Dr. Michael Reusch mit Nachdruck gefordert, chronische Hautkrankheiten und insbesondere chronisch entzündliche Hauterkrankungen als Härtefall anzuerkennen und den Betroffenen einen Zuschlag zum Regelsatz zu gewähren.

„Wir sehen viel zu häufig Patienten mit geringem Einkommen, die resigniert haben und ihre Hautprobleme nicht in den Griff bekommen, weil das Geld für Salben fehlt.“ Es sei volkswirtschaftlich betrachtet billiger, hier frühzeitig unterstützend einzugreifen als die weit teureren Folgen von verschleppten Krankheiten zu bezahlen.

Der vom Arbeitsministerium vorgelegte Katalog sieht vor, dass „im Ausnahmefall“ die zuständigen Stellen demnächst zusätzliche Mittel bewilligen können beispielsweise für „nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel“ oder „Hautpflegeprodukte bei Neurodermitis“ oder auch „Hygieneartikel bei ausgebrochener HIV-Infektion“.

„Eine Studie hat ergeben, dass die gemittelten jährlichen Kosten bei mittel- bis schwerer Psoriasis bei 794,30 Euro liegen“, verdeutlicht Prof. Matthias Augustin, Leiter der Fachgruppe Gesundheitsökonomie und Lebensqualitätsforschung und des Centrums für Versorgungsforschung in der Dermatologie am Hamburger Universitätsklinikum, die mögliche Größenordnung.

Bei einem Regelleistungssatz von derzeit 359 Euro im Monat seien dies knapp 19% der Bezüge. Die Kosten entstünden u.a. durch Fahrten zum Arzt oder die nicht erstattungsfähigen Harnstoff-Produkte, so Augustin. „Entsprechendes gilt im Grunde bei allen chronischen Entzündungen der Haut, also vor allem für die drei Gruppen Schuppenflechte, Neurodermitis und chronische Wunden“, sagte Augustin.

Das Arbeitsministerium betont, dass der veröffentlichte Katalog nicht abschließend sei und Leistungen nur gewährt würden, wenn eine erhebliche Unterversorgung drohen würde. „Bedarfsspitzen sind durch Wirtschaften mit der Regelleistung auszugleichen.“, so das Arbeitsministerium. Dazu wird z.B. auch die Praxisgebühr gezählt.

Der Schwarze Peter liegt also zunächst bei den Grundsicherungsstellen und Sozialgerichten, die über eine erwartete Flut von Anträgen entscheiden müssen.

„Wer glaubt, einen berechtigten Anspruch zu haben, wird diesen auch von Gerichten prüfen lassen“, sagte die Präsidentin des Deutschen Sozialgerichtstags Monika Paulat der „Thüringer Allgemeinen“. Das Arbeitsministerium ist hingegen der Meinung, dass es „mit der Positiv- und Negativliste in einem ersten Schritt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts umsetzt. Die Handreichung für die Praxis bewirkt Klarheit. Die Mitarbeiter vor Ort und die Leistungsbezieher können sich auf die möglichen ergänzenden Leistungen einstellen.“