Ärzte sehen Therapiefreiheit in Gefahr

Gesundheitspolitik

Befragung deckt Mängel des deutschen Gesundheitssystems auf

BERLIN - Fast drei Viertel (73 Prozent) der niedergelassenen Ärzte in Deutschland sehen die Therapiefreiheit in Deutschland nicht mehr gewährleistet ist. Vor allem der Kostendruck durch Ausgabenbeschränkungen und der negative Einfluss von Regressandrohungen sind Gründe dafür, dass Mediziner in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt werden. Das ist das Ergebnis der Ärztebefragung "Gesundheitsstandort Deutschland im Ärztecheck", vom August 2008 im Auftrag des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) und des NAV-Virchow-Bundes.


Das Meinungsforschungsinstitut TNS Healthcare befragte 802 niedergelassene Ärzte, darunter 500 Allgemeinmediziner, praktische Ärzte und Internisten sowie 302 Fachärzte, zu ihrer Einschätzung .

Die medizinische Versorgungsqualität der Patienten in Deutschland wird sich nach Meinung der befragten Mediziner in den nächsten Jahren erheblich verschlechtern. Während diese derzeit in der eigenen Region noch von 74 Prozent als gut eingeschätzt wird, glaubt nur noch knapp ein Viertel der Befragten, dass dies auch noch in zehn Jahren der Fall sein wird.

Mehr als ein Drittel der Ärzte befürchtet sogar eine schlechte oder sehr schlechte Versorgungsqualität in naher Zukunft. Vor allem der hohe Verwaltungs- und Bürokratieaufwand sowie die Budgetierung wirken sich nach Meinung der Mediziner negativ auf die Versorgung gesetzlich versicherter Patienten aus.

"Es ist ein Alarmsignal, wenn uns die Ärzte in der vorliegenden Umfrage mitteilen, dass bei Indikationen wie Krebs oder HIV Therapiefortschritte den Patienten erreichen, dass sie aber bei Erkrankungen wie Depression oder Demenz ernste Zweifel daran haben," warnte die Hauptgeschäftsführerin des VFA, Cornelia Yzer: "Wenn wir nicht aufpassen, sehen wir hier die Vorboten einer gefährlichen Weichenstellung: Krankheiten mit Lobby und Krankheiten ohne eine solche und im nächsten Schritt Versorgung mit Innovationsvorfahrt und Versorgung mit Innovationsbremse."

92 Prozent der Befragten geben an, dass Ärzte mehr Mitspracherecht bei Entscheidungen über die Verordnungsfähigkeit von innovativen Arzneimitteln haben sollten. Bei der Frage nach gesundheitspolitischen Weichen, die für die zukünftige Sicherung der Versorgung gesetzlich versicherter Patienten gestellt werden sollten, werden der Abbau von Bürokratie, eine leistungsgerechte Honorierung, eine höhere Selbstbeteiligung für Patienten und vor allem die Abschaffung der Budgetierung genannt. Der Zugang zu innovativen Medikamenten bleibt den Patienten häufig verwehrt.

Die Mängel des Gesundheitssystems dämpfen die Motivation der Ärzte. 69 Prozent aller befragten Ärzte haben sich schon einmal überlegt, im Ausland zu praktizieren. Bei den Fachärzten sind es gar 74 Prozent. Als Beweggründe für diese Überlegungen werden bei der überwiegenden Mehrheit der Befragten der Verwaltungsaufwand (85 Prozent), das Einkommen (82 Prozent), die medizinische Versorgung (77 Prozent) sowie die Therapiefreiheit (76 Prozent) genannt. Auch die leichtere Einsetzbarkeit innovativer Arzneimittel wird von´der Mehrheit als Grund aufgeführt (55 Prozent).

Die Umfrage hat zudem ergeben, dass fast ein Drittel der Befragten den Arztberuf heute eher nicht mehr ergreifen würde.