Ärzteprotest: ACHTUNG Marschroute geändert – weitere Aktionen am 19. Mai

Gesundheitspolitik

Nationaler Protest – Der Ausstand der Ärzte geht weiter

Berlin - der Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) gehört wie schon bei dem 1. nationalen Protesttag im Gesundheitswesens zu den Erstunterzeichnern des neuerlichen Aufrufs, die Protestaktionen im Schulterschluss mit Patienten- und Beschäftigtenorganisationen fortzusetzen. Der Vorstand des BVDD appelliert an seine Mitglieder an der Massenkundgebung am 19. Mai in Berlin aktiv teilzunehmen. Wörtlich heißt es in der vom BVDD mitgetragenen Protesterklärung:

Staatliche Reglementierung, Rationierung, ökonomischer Druck und die Sorge, ihre Patienten nicht mehr dem ärztlichen Anspruch gemäß versorgen zu können, haben am 18. Januar und am 24. März zehntausende Ärzte mobilisiert. Gemeinsam mit Arzthelferinnen und Patienten sind sie dem Aufruf von über 50 Verbänden gefolgt und haben in Berlin ihrem Unmut und ihrer Verzweifelung Luft gemacht. Diese gewaltigen Demonstrationen ärztlicher Entschlossenheit haben die Politik zwar nicht unbeeindruckt gelassen, noch immer überwiegt aber bei den Entscheidern in Regierung und Parlament die Hoffnung auf ein Erlahmen des Protestes. Diese Hoffnung werden wir zunichte machen! Denn jetzt naht die Stunde der Wahrheit. Die Politik legt die Karten auf den Tisch!
Alles spricht dafür, dass die deutsche Ärzteschaft auf diese Pläne die entsprechende Antwort parat haben muss: Unser Druck lässt nicht nach! Wir kämpfen weiter!
Bundeskanzlerin Angela Merkel will die Gesundheitsreform noch vor der Sommerpause verabschieden. Es ist die Zeit der Entscheidung. Sie wird nicht ohne die Ärzte fallen!
Mit dieser Botschaft werden sich am 19. Mai 2006 in Berlin erneut zehntausende Ärzte versammeln. Wir wollen von 12 Uhr an vom Invalidenpark aus über die Friedrichstraße zum Gendarmenmarkt marschieren. Dort wollen wir gemeinsam ein unübersehbares Zeichen setzen!
Daher rufen wir alle ärztlichen Verbände, die Verbände aus dem Gesundheitswesen, sowie Arzthelferinnen und Patientinnen und Patienten auf: Kommen Sie am 19. Mai nach Berlin!

 

Ablauf – Treffpunkt für Dermatologen – Gemeinsame Plakat-Malaktion

 

 Organisatorisches: Die Organisatioren des Protestes haben kurzfristig den Ablauf geändert: der Protest beginnt jetzt um 12 Uhr am Platz des 18. März (auf der Westseite des Brandenburger Tores) mit einer Auftaktkundgebung. Von dort aus startet die Demonstration über Ebertstraße, Potsdamer Platz, Potsdamer Straße, Entlastungsstraße und Straße des 17. Juni - zurück zum Platz des 18. März. Dort findet vor dem Brandenburger Tor auch die Abschlusskundgebung statt.
Treffpunkt für Dermatologen ist ab 10.00 Uhr die Cafeteria der Kaiserin-Friedrich-Stiftun am Robert-Koch-Platz 7. In einer gemeinsamen Malaktion werden dort ad hoc Plakate für den Protetstzug beschriftet und verteilt. Um 11.30 Uhr zieht die Fachgruppe dann geschlossen zum Brandenburger Tor und schließt sich dort den übrigen Demonstranten an.

 

 

Nationaler Protest - ”Ulla muß weg”

BERLIN – Die einen reaktivierten ihre Plakate und Transparente vom 1. Nationalen Protesttag, andere rüsteten deutlich auf: mit Trommeln, noch mehr Trillerpfeifen, einstudierten Sprechchören und Spruchbändern. Die Rechnung des Bundesgesundheitsministeriums (BMGS) ging nicht auf. Selbst massive Einschüchterungsversuche konnten nicht verhindern, dass am 24. März bereits 30.000 Mediziner, Praxispersonal und auch Patienten in der Bundeshauptstadt auf die Straße gingen, um gegen die anhaltende Unterfinanzierung des Gesundheitswesens zu demonstrieren.

Bundesweit blieben am 24. März zahllose Arztpraxen geschlossen und verliehen so dem Ärzteprotest zusätzlich Nachdruck. Zu dem neuerlichen bundesweiten Protesttag hatte ein Bündnis von 50 Ärzteverbänden aufgerufen. Mit dabei waren diesmal auch einige mitgliederstarken Hausärzteverbände.
Politisch nicht weniger schwer wiegt der Solidarisierungseffekt, den ein Brandschreiben aus dem BMGS an die Adresse der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) auslöste. Der 1. Vorsitzende der KBV, Dr. Andreas Köhler selbst sprach – einer unverhohlenen Drohung aus dem Ministerium zum Trotz – zum Auftakt der Kundgebung vor dem „Roten Rathaus” zu den Demonstranten.
„Wenn der Gesetzgeber uns zwingt, gegen die Interessen unserer Mitglieder zu handeln, müssen wir uns wehren. Wenn es nicht anders geht, auch damit, dass wir das KV-System in Frage stellen”, so der KBV-Chef. „Wir stehen zu unseren gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben, aber nur, solange die dafür geltenden Rahmenbedingungen verantwortungsvolles ärztliches Handeln ermöglichen.”
Die Vertreterversammlung der KBV habe sich für ein Referendum bei den Vertragsärzten ausgesprochen. „Unsere Forderungen heißen: angemessene Vergütung medizinischer Leistungen, Abbau von Bürokratie, keine Staatsmedizin, kein weiteres Degradieren der Vertragsärzte zu Erfüllungsgehilfen der Kassen-Sparpolitik,” erläuterte Köhler weiter.
Der Vorstand der Bundesärztekammer unterbrach seine Sitzung, um den Vorstandsmitgliedern eine Teilnahme am Demonstrationszug zum Brandenburger Tor zu ermöglichen. der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, sagte vor dem Demonstrationszug durch Berlins Mitte, die Ärzte wollten „nicht länger als Erfüllungsgehilfen staatlicher Rationierung missbraucht werden“. Es sei unredlich, bei begrenzten finanziellen Ressourcen weiterhin unbegrenzte Leistungsversprechen abzugeben. Es dürfe nicht sein, dass für die Defizite im Gesundheitssystem immer wieder die Ärzte verantwortlich gemacht würden.
BVDD-Präsident Dr. Michel Reusch wollte den demonstrativen Protest im Zentrum der Bundeshauptstadt zugleich auch als Solidaritätsadresse mit den streikenden Klinikärzten verstanden wissen. Reusch, der zugleich auch Präsident der Hamburger Ärztekammer ist, marschierte zeitweise mit an der Spitze des Protestzuges.
Die Demonstranten skandierten bei der Ankunft am Brandenburger Tor minutenlang „Ulla muß weg”. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt wies die Forderung nach 30 Prozent mehr Geld zur Finanzierung der unbezahlten ärztlichen Leistungen umgehend zurück und forderte Realismus. Sieben Milliarden Euro Mehrkosten seien unbezahlbar. Über ein gerechteres Honorarsystem müssten sich die Mediziner mit den Krankenkassen einigen.
Die Veranstalter der bislang größten bundesweiten Protestaktion gegen die herrschende Gesundheitspolitik wollen den Druck auf die Bundesregierung weiter verstärken: „Wir kommen wieder,” lautete eine mehrfach wiederholte Botschaft der Kundgebung vor dem Brandenburger Tor. Der Termin für die Fortsetzung steht bereits fest: am Freitag, 19. Mai, in Berlin, unmittelbr vor dem 109. Deutschen Ärztetag, der am darauf folgenden Dientag in Magdeburg beginnt.


Im Wortlaut: „Unvereinbar und damit rechtswidrig“
Ein Brandbrief aus dem Bundesministerium für Gesundheit an den Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Andreas Köhler, schlägt hohe Wellen. Der von der KBV öffentlich gemachte Einschüchterungsversuch, unterzeichnet von Abteilungsleiter Franz Knieps, zeigt, wie ernst die Organisationsmacht der KBV als Interessenvertretung der Ärzte nimmt. Hier das Schreiben im vollen Wortlaut:

Wie ich einem Internetauszug entnehme, haben Sie für die morgigen Gremienberatungen angekündigt, dass sich die KBV u. a. damit befassen werde.
• ob parallele Schutzorganisationen aufgebaut werden müssten,
• ob an einen kollektiven Verzicht aller Vertragsärzte auf die Zulassung zu denken sei
• dass zu entscheiden sei, ob eine Urabstimmung unter allen niedergelassenen Ärzten zum Systemausstieg durchgeführt werden solle.


Sollte dies so zutreffen, weise ich hierzu im Rahmen einer aufsichtsrechtlichen Beratung nach § 89 Abs. 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs auf folgendes hin:
Die KBV verlässt mit Ihren Ankündigungen den Ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereich. Sie nimmt unzulässig mit den skizzierten Plänen und Ankündigungen ein politisches Mandat wahr, das sie nicht hat. Ich fordere Sie daher nachdrücklich auf, von Überlegungen Abstand zu nehmen, die der Wahrnehmung des Sicherstellungsauftrags den Boden entziehen.
Mit der Wahrnehmung dieses Auftrags verträgt es sich nicht, „parallele Schutzorganisationen“ aufzubauen, einen kollektiven Verzicht der Ärzteschaft auf die Zulassung das Wort zu reden und eine Urabstimmung unter allen niedergelassenen Ärzten zum Systemausstieg durchzuführen, der die Erfüllung des Sicherstellungsauftrags evident unmöglich machen würde. Insbesondere die Urabstimmung wäre eindeutig mit einer verantwortungsvollen Wahrnehmung der Aufgaben der KBV unvereinbar und daher rechtswidrig.
Ich rate daher dringlichst davon ab, in der morgigen Vertreterversammlung die fragliche Urabstimmung zu thematisieren.